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Völkerscheide, sondern Völkercentrum der 3 Hauptnationen Europa's: der Germanen 
oder Deutschen im Norden, der Romanen (Franzosen, Italiener, Ladiner), im Westen 
und Süden, und der Slaven, (Illyrier) im Südosten. Etwa 7 Millionen kräftige, 
arbeitsame und glückliche Menschen bewohnen die Thäler der Alpen, von denen 
3 Millionen dem germanischen Stamme angehören; 2 Millionen sind gallischen, 
l Million italienischen, und l Million slavischen Stammes. Ueber 2 Millionen 
sind Hirtenvölker. 
Eine Wanderung durch die Alpen gehört wohl zu den höchsten Genüssen, die 
sich ein Mensch bereiten kann. In den meisten. Gegenden sieht man mit schwin¬ 
delndem Auge einen Berg über den andern gethürmt; in den Zwischenräumen der 
Höhen erblickt man entweder See'n oder Flüsse, die durch ihre mannichfaltigen 
Krümmungen zwischen den Hügeln die entzückenden Aussichten vermehren. Bald 
eröffnet sich ein langes fruchtbares Thal, von lieblichen Bächen bewässert, oder 
eine freie Aussicht in gegenüberliegende Berge, die mit Menschen, Kirchen, Dör¬ 
fern, einzelnen Hütten und Landhäusern, Reben und Obstbäumen und Heerden 
gleichsam besäet ist. Bald erscheint ein schöner Wald, oder eine Reihe ungeheurer 
hohler, gelber und weißer, zuweilen mit wenigem Moos bewachsener Felsen, aus 
deren Ritzen oft hin und wieder hohe Fichten und Tannen hervorsteigen und in 
der Luft zu schweben scheinen. An den steilen Spitzen dieser Felsen hangen Ruinen 
von Bergschlöffern herab, und zwischen ihnen stürzen sich schäumende'Wasserfälle 
mit wildem Getöse herunter. Bald wird wieder das Auge durch Gewässer ergötzt, 
an deren Ufer Dörfer, Weinberge und Landhäuser ihren reizenden Wiederschein 
verlängern; dann steigen wieder Berge bis über die Wolken empor, und ihre mit 
ewigem Schnee belasteten Spitzen verbreiten ihren prächtigen Schimmer rings um¬ 
her am Horizont. Ein unbeschreiblich schöner Anblick ist es, wenn am frühen Mor¬ 
gen und am Ende des Tages die Sonne die höchsten Bergspitzen vergoldet, während 
untenAlles in Dämmerung und die Tiefen in Nacht gehüllt sind. Dann strahlen 
die Berghäupter in einem farbigen Purpur und bezaubern durch die zartesten Far¬ 
benhauche. Nicht minder wie das Alpenglühen, ergreifen uns die Bergriesen, wenn 
sie nach Sonnenuntergang wie eine Welt von hehren, blassen Geistern stumm und 
still vom Himmel herabschauen. — Auf allen Seiten rieseln Quellen neben den 
Wegen, oder rauschen Wasserfälle mit einem angenehmen Lärm von den Felsen her¬ 
ab, zuweilen so hoch, als ob sie aus den Wolken herabschäumten. Oft glaubt man 
in einer ewigen Einöde von Felsen und finstern Tannen zn sein; auf einmal wendet 
sich der Weg — eine Wiese mit dem schönsten Grün und von Rindern belebt, 
eröffnet sich mit sanftem Reize dem Auge. Mannichfaltigkeit, Größe und Contrast 
sind die unterscheidenden Charaktere der Alpenlandschaften. Nichts aber zeichnet sich 
mehr in ihnen aus, als die stärksten, die seltsamsten und auffallendsten Gegenstellun¬ 
gen. Am Fuße kahler Felswände sieht man grüne, kräuterreiche Wiesen; in öden 
Abgründen reifen die schmackhaftesten Baumfriichte; reizende Landhäuser erheben sich 
mitten in der Wildniß; Eisberge thürmen sich am Rande der fruchtbarsten Felsen 
auf, und indem man mit dem einen Fuße das Gletschereis berührt, tritt der andere 
stellenweise auf einen grünen Teppich; der Reiz des Frühlings und die Fruchtbar¬ 
keit des Sommers erscheinen hier ungestört mitten unter der Rauhigkeit des Win¬ 
ters, und Grönlands Schrecken steigen, tausendfältig vermehrt, über ein Paradies 
auf, wo tausend Blumen duften. 
90. Die Beschäftigungen der Atpenbewohner. 
Die Alpenthäler und Berghalden sind überall von Menschen bewohnt und 
benutzt; nicht blos am Fuße der Berge, sondern auch höher in den Thälern 
hinauf hat sich der Mensch angesiedelt, so weit es nur die unwirthbare Nähe der 
Felsen, Gletscher und Schneegipfel erlaubt. Die Beschäftigungen der Alpen¬ 
bewohner bestehen in Gewerbethätigkeit und Alpenwirthschaft. Da sammelt man 
Arzneikräuter für dieApotheken und Naturalien für die Museen Europa's, dort, 
wie z. B. in Tyroler Alpen und am Königsee, nährt sich der arme Aelpler, wäh¬ 
rend er das Vieh wartet, als Holz-, Horn-, Knochendreher und Bildschnitzer. Der 
Tyroler ist als Weber und Gerber wie" als Sänger und Finkler bekannt und hau- 
sirt weit in ferne Länder hinein mit seinen Kanarienvögeln, Handschuhen und 
Teppichen. Wo das Gebirge Salzlager darbietet, sind Tausende von Menschen 
mit der Bearbeitung derselben beschäftigt, wie in andern Gegenden, besonders in 
Kärnthen und Steiermark mit den Metallen. Sehr Viele beschäftigen sich mit
	        
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