19 
sehr geringe Gezeiten; die Ost- und Nord-See hat gar keine, das mittelländische Meer 
nur sehr geringe Gezeiten. An den zerstreuten Inseln des großen und atlantischen Oceans 
beträgt sie 1' bis 3', an den Küsten der Kontinente in der Tropenzone im Allge¬ 
meinen 6', in den gemäßigten Zonen 18' bis 20', in den nördlich kalten Zonen 13 . 
Der Bau der Küsten, Strömungen, Winde u. dgl. können aber die Höhe der Fluth 
bis zu 70' in die Höhe treiben. Durch besonders hohe Fluthen sind ausgezeichnet in 
Europa die West- und Südküsten von England, einzelne Theile der NO.- und 
W.-Küsten von Australien, in Amerika der kalifornische Meerbusen, die Ostküsten 
Patagoniens, ganz besonders aber die Foundy-Bai bei Nova Scolia. Am furcht¬ 
barsten sind die Sturmfluthen an der Mündung des Amazonen-Stromes, wo sie 
Nororoca heißen. Aehnliche Erscheinungen trifft man unter dem Namen Mas- 
Paret an der Mündung der Dordogne und der Gironde, und als Bore im Hygel- 
der westlichen Mündung des Ganges. Die Gezeiten sind in Folge der Anziehungs, 
krast des Mondes und der Sonne, wovon die Anziehungskraft des Mondes 3 Mal 
stärker ist als die der Sonne. 
Die Wellenbewegung des Meeres besteht in einem pendelartigen Schwin¬ 
gen des Wassers, welches durch die Einwirkung des Windes auf die Oberfläche des¬ 
selben hervorgebracht wird. Die Höhe der Wellen, oder der Unterschied zwischen 
der Vertiefung, dem Wellenthale, und der Erhöhung, dem Wellenberge, 
hängt von der Stärke des Windes ab, und soll bei heftigen Stürmen auf 20', 30', 
ja 60' steigen. In einer Tiefe von 90' spüren die Taucher auch bei der größten 
Unruhe des Meeres keine Bewegung mehr. Die Länge der Wellen richtet sich 
nach der Tiefe des Meeres. Tiefe Meere haben lange, seichte aber kurze Wellen. 
Sind die Wellen kurz gebrochen und unregelmäßig, so veranlassen sie auf den 
Schiffen ein unangenehmes und gefährliches Rütteln. Wo das Meer gegen eine 
flache Küste stößt, da wird die Kraft der Wellen gebrochen. Wo aber der Anstoß 
gegen steile Wände und Klippen geschieht, werden die Wellen mit Heftigkeit empor¬ 
geschleudert und veranlassen die gefährlichen Brandungen. Am furchtbarsten ist 
die Kraft der Wellen, wenn das Toben des Sturmes aufgehört hat. Der Wellen¬ 
schlag dauert in diesem Fall oft noch lange fort; es entsteht ein unregelmäßiges 
heftiges Schwanken, von den Schiffern hohle See oder Deinige genannt, das 
die Schiffe so furchtbar schüttelt, daß Alles aus seinen Fugen gerissen würde, wenn 
es lange Zeit anhalten würde. 
Die Meereß-Strömuügen werden durch einen äußern Druck, durch eine 
Verschiedenheit in der Wärme und dem Salzgehalt der oceanischen Wasser, durch das 
periodische Schmelzen des Polar-Eises und durch eine unter verschiedenen Breiten 
ungleich erfolgende Ausdünstung hervorgebracht. 
Der Richtung nach unterscheidet man zwei Hauptarten von Meeres-Strömun- 
gen: die Polar-Strömungen und die Aeqüator-Strömungen; der Tem¬ 
peratur nach: kalte und warme Meeres-Strömungen. Die Polar-Strö- 
mungen fließen von den Polen gegen den Aequator, also von N. nach S. oder 
von S. nach N. in der Richtung der Meridiane. Sie entstehen dadurch, daß das 
kältere Wasser der Polar-Gegenden nach dem Aequator strömt, um den durch die 
stärkere Verdampfung in den niedern Breiten entstandenen Wasserverlust wieder zu 
ersetzen. Die Aequator-Strömungen fließen in der Richtung der Parallelen 
von O. nach W. Sie sind eine Folge der Umdrehung der Erde. Wenn nämlich das 
von den Polen iu der Richtung der Meridiane herfließende Wasser in die Nähe der 
Wende-Kreise kommt, so folgt es dem Stoß der beständigen Winde, welche in der 
Tropen-Zone von O. nach W. wehen und durch die Drehung der Erde hervorge¬ 
bracht werden. Durch diese wirkt die Umdrehung der Erde mittelbar auf die Be¬ 
wegung des Meeres. Sie wirkt aber auch unmittelbar, jedoch in kleinerem Maße, 
auf dieselbe ein. Denn bei der Achsendrehung bleibt das Meerwasser, als verschieb¬ 
bare Materie, hinter dem Schwünge, der unter den Tropen am stärksten ist, zurück, 
und fließt daher der Bewegung der Erde entgegengesetzt, also nach W. 
Wenn zwei entgegengesetzte Strömungen auf einander treffen, oder eine Strö¬ 
mung auf die Richtung der Fluth-Wellen stößt, so entstehen dadurch unregelmäßige 
oder kreiselförmige Bewegungen des Meer-Wassers, die den Schiffen gefährlich wer¬ 
den können. Man nennt sie Strudel. Bekannt sind die Curipus zwischen Negro- 
ponte und Livadien; die Scylka und Charybdis in der Meerenge von Messina; 
der Mael- oder Moskoe-Strom an der Küste Norwegens unter 68° N. Br' 
und andere in den engen Straßen zwischen den Lofodden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.