47 
Wie die Zahl der vorhandenen Volksschulen lange 'nicht ausreicht für die 
Masse der Biloungsbedürftigen, so ist auch ihr Zustand ein höchst ungenügender; 
es fehlt an geordneter Leitung und Aufsicht und besonders an geeigneten Lehr¬ 
kräften, indem der Unterricht noch gar zu häufig auf dem Lande und in kleinen 
Städten von armen Weibern ober auch von Männern gehandhabt wird, die sich 
zu allem Andern unbrauchbar erwiesen haben, und die häufig in Ermangelung 
eines passenden Lokales die Kinderheerde in Kellern, Küchen, Bodenkammern, 
Ställen zusammenorängen; in vielen Dorfschulen müssen die Kinder während der 
ganzen Unterrichtszeit stehen, so daß schon wegen dieser Quälerei eine besonders 
freudige Erinnerung an die Lernzeit nicht zu erwarten ist. Daß es unter solchen 
Umständen mit den Büchern und sonstigen Lehrmitteln noch schlechter bestellt ist, 
versteht sich von selbst. 
36. Die englische Verfassung. 
Die Grundzüge der englischen Verfassung sino folgende: Sie gewährt die Jury, 
das ist das aus angelsächsischer Zeit stammende Recht, in einem Criminalprozeß 
nur von zwölf freien Männern verurtheilt werden zu können. Die Magna Charta 
von 1215 setzt in .37 Artikeln die landesherrlichen Rechte des Königs fest und hebt 
die Mißbräuche der Königsgewalt auf; sie enthält unter andern die Bestimmung, 
daß kein Freier verhaftet, eingekerkert, seines Gutes, seiner Freiheit oder seiner 
Rechte beraubt, in die Acht erklärt oder des Landes verwiesen werden kann, ohne 
daß ihn ein gesetzliches, förmliches Urtheil seiner Standesgenossen dazu verdammt. 
Das Parlament, das seit 1343 aus dem Ober- und Unterhause besteht, ist das 
gesetzgebende Corps. Im Oberhause sitzen außer den königlichen Prinzen die Peers' 
des Reichs, d. h. alte Familienhäupter der Nobility, die Kraft der Geburtsrechte, 
die Peerswürde besitzen, die höchsten Geistlichen, nämlich 3 Erzbischöfe und 27 
Bischöfe. Der Präsident heißt Lord Großkanzler. Das Unterhaus besteht aus den 
Repräsentanten der Nation, gewählt von den Städten und von den Grund¬ 
besitzern. Ihr Präsident heißt der Sprecher. Das Wahlrecht wurde in neuester 
Zeit um etwas ausgedehnt, so daß selbst arme Besitzer mitwählen dürfen, wenn sie 
mindestens 2 Pfund Einkommen von einem Eigengute haben. Zedes Parlaments¬ 
mitglied hat das Recht, so gut als die Krone, eine Bill (Gesetzvorschlag) in's Haus 
zu bringen; nur Bills mit Geldforderungen werden zuerst im Unterhause berathen. 
Ist eine Bill von beiden Häusern angenommen, so wird sie erst mit Zustimmung 
der Krone Gesetz. 
Nach der Habeas-Corpus- oder Verhaftungs-Akte von 1679 darf kein Eng¬ 
länder anders, "als durch das Gesetz in seiner persönlichen Sicherheit angetastet 
werden. Die Erklärung der Rechte von 1689 setzt fest, daß der König ohne Zu¬ 
stimmung des Parlaments kein stehendes Heer halten und keine Steuern erheben 
dnrf, daß Parlamente häufig gehalten werden sollen und die Wahl und Rede¬ 
freiheit nicht beschränkt werden darf; und die Parlamentsbill von 1694 bestimmt, 
daß das Parlament in jedem Jahre zusammenberufen, das Unterhaus alle 3 Jahre 
aufgelöst und durch neue Wahlen ersetzt werden soll. Die Erklärung der Pre߬ 
freiheit von 1694 verbietet die Censur von Druckschriften, indem die Gerichte für 
hinreichend gegen Preßmißbrauch gehalten werden. Hiermit verbindet sich das Her¬ 
kommen , Volksversammlungen halten und von ihnen ausgehend Adressen an's Par¬ 
lament richten zu dürfen. 
Die englische Verfassung ist demnach, wie aus obigen Angaben hervorgeht, 
ein Werk von Jahrhunderten, und in ihrer natürlichen Entwickelung durchaus 
constitutionell. 
3?. Manchester und feine Baumwollspinnerei. 
Nach London kenne ich in ganz Großbritannien keine Stadt, die auf den Frem¬ 
den einen tiefern Eindruck macht, als Manchester. Nie, so lange die Weltgeschichte 
rinnt, gab es auf dem Globus eine Stadt, welche Manchester ähnlich war, in ihrer 
äußern Erscheinung, in ihrer merkwürdigen Thätigkeit, in ihrer Waarenfülle, in 
Masse wundersamer Erfindungen. Unter den verschiedenen bewundernswerthen Din¬ 
gen, die man in Manchester sehen kann, nehmen ohne Zweifel die Baumwollen¬ 
fabriken mit ihren Arbeits- und Maschinenwundern den ersten Rang ein; denn sie 
sind es, um welches sich hier das Interesse aller Menschen dreht. Man berechnet
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.