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das Kapital, welches jetzt jährlich durch Baumwolle in England in Umsatz gesetzt 
wird, über 400 Millionen Gulden. Durch die Erfindungen, die in Bezug auf die 
Baumwolle gemacht sind, erscheint der Mensch nun wie mit tausend Händen ge¬ 
wappnet. Viele jetzt errichtete Spinnräder haben noo Spindeln. Durch den Rie¬ 
sengeist der englischen Erfindungen, der in der Baumwolle thätig war, sind neue 
Länder in europäische Interessen gewissermaßen hineingesponnen, die wir früher mit 
gar keiner Waare gewinnen konnten. China und Ostindien, diese kunst- und waa- 
renreichen Länder, in denen Baumwollenzeuge die gewöhnliche Kleidung sind, und 
die uns sonst vorzugsweise baumwollene Waaren sandten, haben wir, die uralte 
Waarenströmung umkehrend, mit ihren eigenen Waffen angegriffen. Im Jahre 
1836 wurden von England nach Ostindien für 2,582,000 Pf. St. baumwollene 
Waaren gesandt, und China empfing in demselben Jahre 10 Mill. Ellen weißes 
Baumwollenzeug, 2,500,000 Ellen gefärbtes Baumwollenzeug und 3 Mill. Pfund 
Baumwollengarn. 
Man hat berechnet, daß in England nicht weniger als 1,200,000 Personen blos 
mit der Anfertigung der Baumwollenwaaren beschäftigt sind. Jetzt denke man an 
die Hunderttausende, welche mit der Verhandlung, der Transportirung und Ver¬ 
schiffung dieser Stoffe sich beschäftigen; man denke an solche, mit der Entwickelung 
der Baumwollenfabrikation schwindelnd emporgestiegene Städte, wie Liverpool, man 
denke an die Meere, die von mit Baumwolle beladenen Schiffen wimmeln, an die 
Millionen, die in Nordamerika als freie Pflanzer oder Neger, in Aegypten als 
Sklaven des Pascha, in Brasilien als Sklaven der Plantagenbesitzer an der Erzeu¬ 
gung der Baumwolle arbeiten und dadurch ihr Leben fristen; man denke ferner an 
alle Nationen des Erdballs, die sammt und sonders jetzt zwei-, drei-, zehnmal mehr 
Baumwollenstoffe tragen, als früher, und deren Sitten und Gewohnheiten dadurch 
zum Theil wesentlich verändert werden und schon verändert sind, und man erstaune 
über die Folgen, welche diese merkwürdige menschliche Thätigkeit, deren Mittelpunkt 
Manchester ist, herbeigeführt hat. 
Bis auf die neuesten Tage herab ist die Verbesserung oer Spinn- und Webe¬ 
maschinen noch immer fortgegangen. Eine der letzten ist ein Spindelwagen, der 
sich von selbst, d. h. ourch die Maschinerie getrieben, ein- und auszieht. Bisher 
mußte dies Ein- und Ausziehen durch Menschenhände geschehen, und jetzt haben 
diese nun weiter gar nichts mehr beiin ganzen Spinnen zu thun, als das Einschüt¬ 
ten und Vertheilen der rohen Baumwolle und das Anknüpfen zerrissener Fäden. 
Sämmtliche anderen Verrichtungen, das Reinigen der Baumwolle, das Kämmen, 
das Spinnen, das Zwirnen, das Aufrollen, das Abhaspeln u. s. w., werden sammt 
und sonders von der Maschine übernommen. Sogar das Füttern des Ofens in der 
Dampfmaschine mit Kohlen hat man jetzt den Menschen entwunden. Auch dies 
geschieht vermittelst Maschinen, die man Selbstfütterer nennt. 
Im Jahre 1838 waren in England 130,000 Maschinenwebestühle für Baum¬ 
wolle in Arbeit; jeder fertigt in einem Tage l Stück Baumwollenzeug, alle zusam¬ 
men könnten also im Jahre, wenn jeder 300 Tage arbeitete, 39 Millionen Stück 
liefern. — Man kann alle Baumwollenwaaren in 3 Hauptabtheilungen bringen. 
Erstlich Twist oder Garn, zweitens ungefärbte Gewebe, drittens gedruckte und ge¬ 
färbte Kattune. — Nach keinem Lande geht jetzt so viel Twist wie nach Deutschland, 
nämlich 30 Mill. Pfund, was inehr als ein Drittel alles in England gesponnenen 
Garnes ausmacht, und woran man am besten die außerordentliche Vermehrung un¬ 
serer Webereien abnehmen kann. Das Spinnen des Twists und das Weben der 
Baumwolle hatte ich zur Genüge gesehen, ich war daher nun begierig, ein bedeu- 
dendes Färbewerk zu besichtigen. Man druckt hier jetzt fast durchweg mit messinge¬ 
nen Cylindern, auf welche die Muster eingegraben sind. In einer Druckerei waren 
nicht weniger als 3000 solcher kupferner Cylinder, und es steckte darin ein Capital 
von 50,000 Pf. St. In der Regel steht ein solcher Cylinder nicht länger als 12 
Monate, und nur wenn das Muster dem Publikum besonders gefällt, wird er wohl 
zwei Jahre lang benutzt. In einer Abtheilung der grpßen Druckerei fand ich jedoch 
noch einen Raum, in welchem noch einige alte Blockdrucker saßen, die mit hölzer¬ 
nen Blöcken nach der alten Einrichtung druckten und diese Blöcke schnitzten. Ihr 
altes Geschäft, auf das sie allein eingeübt sind, wird immer unbedeutender, und 
bald werden alle armen Blockdrucker dem Hunger und der Vergessenheit über¬ 
geben werden. 
Es ist im höchsten Grade interessant zu sehen, wie die weißen Zeuge unter den 
geschäftigen Cylindern, mit Blumen bestreut, rasch sich hervorwickeln, wie die Farben
	        
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