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noch zahlreich und sehr groß in Deutschland vor. Er ist von wildem und grimmigem
Ansehen Einige sind 7 Schuh hoch und haben itt Fuß Länge. Der Kopf ist mit
langen zottigen Haaren bewachsen. Die alten Deutschen brauchten die Horner zu Trink-
pokalem Im Vorderbau des Körpers hat er eine sehr große Stärke. Etwas Aus-
zeichnendes'ist der Moschusgeruch seiner Haare.
Das Elenthier (nicht Clendthier. weil die Sage von den epileptischen Zu¬
fällen dieses Thieres Fabel ist), von der Größe eines Pferdes, hat große platt¬
gedrückte. kurz ausgezackte Hörner, die es jährlich wechselt; ist grau von Farbe.
Diese Thiere leben heerdenweise, haben in ihrer Lebensart viel Aehnlichkeit mit den
Rennthieren und^ind eben so schnell im Lauf. Die Jungen lassen sich zähmen.
Das Fleisch soll schmackhaft sein und wird von den Amerikanern viel genossen.
Die sehr weißen Knochen geben den Drechslern ein vortreffliches Material. Die
dicke Haut wird von den Weißgerbern zu Kürassen. Kollern und Degengehenken
verarbeitet. ^„
Der Wolf. Dieses gefräßige Raubthier, von der Große eines großen Hundes,
mit gestrecktem Körper, langen Beinen und langem Schwanz, ist weit verbreitet auf
der Erde, in einigen Ländern jedoch ausgerottet wegen der Gefahr für die Schaf¬
herden Sein Geheul ist widerlich. Er kann lange hungern, verschont aber im
Hunger selbst den Menschen nicht. Mit den Hunden hat er die schreckliche Krankheit
des Tollwerdens gemein. Aus dem Balg machen die Kürschner Pelze mit auswärts
gekehrter Haarseite, die Wildschure.
51. Das russische Kaiserreich.
Oer jetzige Kaiser Alexander ll„ Czar und Selbstbeherrscher aller Reußen, ge¬
bietet uneingeschränkt über ein Reich, das in drei Erdtheilen zusammenhängend
2000 Meilen in die Länge sich ausbreitet, also über '/g des festen Landes auf der Erde.
Seine Regierungserlasse oder Ukase gelten in einem Raume von 270,000 Quadrat¬
meilen (wovon in Europa etwa 100.000) und werden von 66 Mills Menschen ge¬
horsam ausgeführt. Davon 60 Mill. in Europa. Diese gehören gegen 100 ver¬
schiedenen Völkern an, die aber alle unter die Hauptstämme der Slaven. Finnen.
Lithauer, Tartaren und Mongolen zu rechnen sind. Auch in Bezug auf
Sprachen und Religionen herrscht in dem Riesenreiche das bunteste Durcheinander.
Das in allen Theilen des Reiches wohnende Hauptvolk, die Russen, zerfällt
in Großrussen, Kleinrussen unv Ruthenen; die ersteren bilden Die über¬
wiegende Mehrzahl. Von verschiedenen Beobachtern werden sie sehr verschieden be¬
urtheilt. Die meisten rühmen eine natürliche Gutmüthigkeit, die sich auch in dem
leider! nur zu häufigen Zustanve des Rausches nicht verläugnet: Gastfreiheit, fröh¬
licher Sinn, Gewandtheit zum Handel und Wandel aller Art. Der Russe ist ein
geborner Kaufmann. Zu dem Allen gesellt sich eine lebhafte Vaterlandsliebe. Ge¬
tadelt hat man mit Recht einen knechtischen, kriechenden Sinn gegen Vorgesetzte
und Gewaltige; 3/5 aller Bauern sind Leibeigene des Adels, die übrigen als Kron-
bauern in etwas freierer Stellung. Zu jenem Hauptfehler gesellt sich bei dem na¬
türlichen Mangel an Rechtssinn eine oft weitgehende Bestechlichkeit und Käuflichkeit,
ja eine auffallende Mißachtung fremden Eigenthums. Ihrer Kirche sind die Russen
mit großem Eifer zugethan. Mit großer Strenge halten sie z. B. ihre häufigen
Fasten; am härtesten sind die Fasten vor Ostern. Darum ist denn die Butterwoche,
welche in dieselbe einleitet, ein großes Fest, wo sich das Volk seinen nationalen
Belustigungen überläßt (Schaukeln, Eisrutschberge u. s. w.). Auch der Ostertag ist
in doppeltem Sinne ein hoher Feiertag. Hier eigentlich ist die Sitte des Ostereier-
schenkens zu Hause; Jeder begrüßt den Andern mit den Worten: „Christus ist auf¬
erstanden," und er erhält den Gegengruß: „Er ist wahrhaftig auferstanden." Ein
anderes großes Kirchen- und Volksfest ist die Wasserweihe am Feste Epiphanias.
Das Reich zerfällt, ohne daß in der Verwaltung ein Unterschied zwischen dem
europäischen und asiatischen Rußland gemacht würde, in 58 Gouvernements; dazu
kommen dann noch das Königreich Polen, das Großfürstenthum Finnland, die
Besitzungen in Nord-Amerika.
Rußland hat zwei Hauptstädte: die eine liegt in des Landes Mitte, hat alle
geschichtlichen und nationalen Erinnerungen und einen schon orientalischen Charakter;
die andere (nach Westen schauend) ist erst von Peter dem Großen an der Ostsee in
Jngermannland seit 1703 angelegt, zur Residenz erhoben und den Städten des west¬
lichen Europa ähnlich gemacht. Beide sind 80 deutsche Meilen (über 600 russische
Werste) von einander entfernt.