Full text: Beschreibung der Preußischen Rheinprovinzen (Theil 1)

lein dieser ba vergleichen an Schönheit und Verstand und 
züchtigem Wesen." — Mit diesen Worten verlor sich der 
Alte lachend in's Gebüsch, und Ruthelm mochte wohl 
denken, und murmelte dann, halblaut, vor sich hin: 2a, 
wer nur Flügel hätte, die First zu erjchwcben! 
,,S' geht wohl auch ohne Flügel," sagte setzt eine 
Stimme. Der Ritter sah sich betroffen um, und erblickte 
ein kleines, altes Mütterchen, welches ihm freundlich auf 
die Schulter klopfte. — „Ich habe mit angehört, was 
mein Bruder eben setzt zu euch gesprochen. Garlinden's 
Vater hat ihn beleidigt; aber er büßt nun seit 4 Jahren 
dafür, und das Mägdlein hat keinen Theil an der Härte 
ihres Vaters. Sie ist schön und fromm und mitleidig, 
und versagt gewiß keinem Müden ein Obdach. Ich habe 
sie lieb gewonnen, wie eine Tochter, und mag ihr wohl 
gönnen, daß ein wackerer Rittcrsmann sie zur Hausge¬ 
nossin erkiese. Mein Bruder hat euch sein Wort gegeben, 
und ein Wort brechen wir nie. Nehmt dieses silberne 
Glöcklein, und geht damit hinüber in's Wispcrchal! Dort 
findet ihr einen abgebauten Schacht, an dessen Eingang 
eine Buche und eine Tanne stehen, die in einander ver¬ 
wachsen sind. Tretet ohne Furcht in die Oeffuuug, und 
läutet dreimal mit dem Glöcklein. In dem Schacht wohnt 
mein jüngster Bruder, und sobald er das Glöcklein hört, 
kommt er herauf. Auch dient es zum Wahrzeichen, daß 
ich euch schicke. Bittet ihn,'euch eine Leiter zu verferti¬ 
gen, so hoch als der Kedrich; und so möcht ihr dann 
den Gipfel ohne Gefahr ersteigen." 
Ruthelm that, wie ihm die Alte gesagt hatte. Er 
eilte auf der Stelle in's Wispcrthal, und fand den ver¬ 
lassenen Schacht, und gab das Zeichen mit dem Glöcklein. 
Kaum hatte er zum dritten Male geläutet, als ein graues 
Männlein, mit einem Grubenlicht in der Hand, aus der 
Tiefe kam, und nach seinem Begehr fragte. Der Ritter 
brachte seine Bitte vor, und der Alte hieß ihn gutes 
Muthes sein, und er möchte sich mit Tages Anbruch am 
Fuße des Kedrichs einfinden. Zugleich nahm er ein 
Pfeiflein aus einer Quertasche und pfiff dreimal, und im 
Nu wimmelte das Thal von Bergmännlein, die Beile 
und Sägen und Hämmer trugen. Der Ritter hörte noch 
auf seinem Heimwege das Geräusch der fallenden Bäume 
und die Schläge der Beile, und in sein Herz kamen 
Hoffnung und Freude. Schon beim ersten Hahnenschrei 
eilte er zum Kedrich, und fand bereits die Leiter aufge¬ 
stellt und wohlbefestigt. Ein kleines Grauen wandelte ihn
	        
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