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in der Ebene diente ein mit Wasser gefüllter Graben als äußerer
Hauptschutz (Wasserburgen). Die meisten erhoben sich auf Bergen,
womöglich auf steiler Felsenhöhe. Der Zugangsweg zur Burg
war schmal und führte zu dem mächtigen Haupttor. durch das man
Über eine Zugbrücke gelangte. Die Befestigung war im übrigen
nach der örtlichen Lage verschieden. Hinter dem Burgtor und
der äußeren Ringmauer lag bei großen Burganlagen vor der
Hauptbefestigung ein weiter Hofraum. der Zwinger, wo die
Nitterfpiele abgehalten wurden. In dem inneren Burghofe, in den
man durch ein zweites Tor kam, erhob sich der Palas (vgl. par¬
tium, Pfalz), mit der großen Halle und den Wohnräumen (Keme-
näten, von caminus, heizbare Gemächer, besonders der Frauen).
Dort stand auch der Kern der Befestigung, der hohe Hauptturm,
Bergfried genannt, mit dem Burgverlies, in dem Gefangene ein-
gesperrt wurden.
Die Ritterzeit mit ihrem Tatendrang und ihrer Begeisterung
für Waffentaten weckte auch die Sangeslust und zeitigte die erste
Blüte der deutschen Dichtung. Damals wurden die großen
Gedichte aus der deutschen Heldensage, das Nibelungen-und das
Gudrunlied, verfaßt, fchuf der Ritter Wolfram von Eschenbach
sein tiefsinniges Heldengedicht „Parsival" und dichteten die Minne-
sänger, allen voran Walter von der Vogelweide, ihre lieblichen
und kräftigen Lieder.
Mit dem Ausgange der Staufen hörte die Blüte des Ritter-
tnms auf. Trunksucht und Rauflust traten an die Stelle der
feinen Sitte. Manche Ritter, die scheelsüchtig auf den Reichtum
der Bürger waren oder durch ihr untätiges Genußleben in Armut
verfielen, suchten ihren Unterhalt durch Raub zu gewinnen. Sie
überfielen von ihren Burgen die Warenzüge der Kaufleute, Herden
und Wanderer und wurden als Strauch- oder Stegreifritter ein
Schrecken der Umgegend.
3. Der Bürgerstand. Neben dem Stande der Bauern und
dem der Ritter entstand in Deutschland während dieses Zeitraumes
das Bürgertum. Seine Entwicklung hängt mit dem Aufschwung des
Handels und des Gewerbes und dem Aufkommen der Städte zufam-
men. Die Zunahme der Bevölkerung und des Wohlstandes, die seit dem
10. Jahrhundert anhielt, steigerte das Bedürfnis nach den Waren
der Händler, die noch von Markt zu Markt zogen. Häufiger und