Full text: Lesebuch für die obere Klasse katholischer Stadt- und Landschulen

Frankreichs Revolution oder Staatsumwalzurig. 
159 
abtrotzen konnte, und benahm sich immer zügelloser. Ganze Hau¬ 
fen verruchter und nichtswürdiger Menschen strömten aus allen 
Gegenden nach Paris, um hier mit den Aufrührern Gefahr und 
Beute zu theilen. Ordnung und Gesetze hörten auf. Viele dem 
Volke verhaßte Männer mordete man auf öffentlicher Straße. 
Was Paris zuerst that, ahmte bald das ganze Land nach. Bewaff¬ 
nete Banden zogen nach allen Richtungen umher und mit dem 
Geschrei „Krieg den Palästen, Friede den Hütten!" plünderten 
sie die Schlösser der Edelleute und die Häuser der Geistlichen. 
Der Herzog von Orleans, des Königs eigener Vet¬ 
ter, einer der verworfensten Menschen damaliger Zeit, wiegelte 
unaufhörlich das Volk auf; denn er strebte nach der Herrschaft 
des Reichs. 
Bei der immer wachsenden Gefahr verließen mehrere Prin¬ 
zen, viele Edelleute und Geistliche das Land, und der unglück¬ 
liche König blieb allein ohne Schutz und ohne Rath in dem brau¬ 
senden Sturme. 
Im Herbste desselben Jahres entstand in Paris wegen einer 
großen Brottheuerung ein grausenvoller Aufruhr. Ein roher Hau¬ 
fen Weiber, unter denen sich besonders die Fischweiber auszeich¬ 
neten, zogen mit dem Geschrei „Brot! Brot!" durch die hun¬ 
gernde Hauptstadt. Männer, als Weiber gekleidet, schlössen sich 
dem Gesindel an. Das Rathhaus ward erstürmt, Waffen und 
Kanonen von den wüthenden Weibern fortgeführt. Nun beschloß 
die tobende Schaar, nach dem 2 Meilen entlegenen Aufenthalts¬ 
orte des Königs zu ziehen; ihr folgte die Bürgergarde. Nach 
Ermordung seiner Leibwache, nach rohen Mißhandlungen und 
Ausgelassenheiten zwang man den König, in die Hauptstadt zu 
fahren. Das freche Gesindel begleitete ihn dahin unter Beschim¬ 
pfungen aller Art. Von nun an war er als Gefangener des 
ungebundenen Volkes zu betrachten, und mußte alles genehmigen, 
was die Versammlung der Abgeordneten beschloß. Diese riß jetzt 
ein Stück nach dem andern von den alten Einrichtungen des Staa¬ 
tes nieder. Sämmtliche Orden und Klöster wurden aufgehoben, 
ihre Güter eingezogen, der Adel mit seinen Vorrechten abgeschafft 
und eine andere Regierungsweise bestimmt. Der König blieb 
als Oberhaupt des Landes; allein das Recht, Gesetze zu geben, 
sollten die Abgeordneten des Volkes üben. 
Die Edelleute, welche in die benachbarten Länder geflohen 
waren, konnten die Vernichtung ihrer Vorrechte nicht verschmerzen. 
Sie sammelten sich haufenweise, besonders in Deutschland am 
Rhein, und warben Soldaten an. Die deutschen Fürsten ließen 
dies zu, denn zwei der mächtigsten unter ihnen, der Kaiser von
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.