Full text: Die Vaterlands- und Weltkunde (Theil 2)

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für die Kinder seiner Edelleute und Hofbedienten, erschien auch mehrmals 
unvermuthet selbst mitten unter den Schülern, um mit eigenen Augen 
zu sehen, wie es bei dem Unterricht herging. Einst fand er bei einem 
solchen Schulbesuch, daß die Söhne der Edelleute und Vornehmen den 
Bürgerkindern an Fleiß und Fortschritten weit nachstanden. Diese mußten 
sich zu seiner Rechten, jene aber zu seiner Linken stellen. Dann sagte 
er zu den armen, aber fleißigen Kindern: „Ich danke euch, meine Kin¬ 
der, ihr habt ganz meinen Wünschen entsprochen, euch zur Ehre und 
zum bleibenden Gewinn." Zürnend wandte er sich hierauf an die vor¬ 
nehmen, aber trägen Kinder mit den drohenden Worten: „Ihr aber, ihr 
Söhne der Edelen, ihr feinen Püppchen, die ihr euch der Trägheit und 
dem Müßiggänge überließet und meinen Befehlen ungehorsam gewesen 
seid, trotzet nur nicht auf Stand und Reichthum eurer Eltern, denn 
wisset, Nichtswürdige haben vor mir weder Rang noch Ehre! Und 
werdet ihr nicht fleißige Schüler, so soll keiner von euch mir wieder 
vor meine Augen kommen. Beim Könige des Himmels, ich werde euch 
strafen, wie ihr es verdient". — 
Karl der Große war ein eifriger Beförderer des Christenthums. Neue 
Bisthümer, Kirchen und Klöster ließ er gründen. Die Klöster 
förderten innerhalb ihrer stillen Mauern damals nicht nur den Unterricht 
der Jugend, sondern sorgten auch für Arme und Kranke, und nahmen 
Reisende gastfreundlich auf; denn Gasthöfe gab es in damaliger Zeit 
nur wenige. Auch beschäftigten sich die Mönche damit, die guten alten 
Schriften der Griechen und Römer abzuschreiben — denn zu jener Zeit 
war die Kunst, Bücher zu drucken, noch nicht erfunden; — sie schrieben 
die Geschichten der Länder und Völker und die Thaten der Heiligen 
auf, oder sie rotteten die Wälder aus und machten den Boden urbar 
— kurz die Klöster wurden auf mancherlei Weise nützlich und waren 
ein wahrer Segen des Landes. — Dem Könige Karl war sehr daran 
gelegen, das Äußere des Gottesdienstes zu verschönern und den Kirchen¬ 
gesang zu verbessern. Er ließ Sänger und Orgelspieler aus Italien 
kommen; denn seine Frauken hatten eine gar rauhe Stimme, so daß 
ihr Gesang fast dem Gebrülle wilder Thiere glich. — Auch liebte Karl 
seine Muttersprache; er arbeitete selbst mit den Gelehrten seines 
Hofes an einer deutschen Grammatik (Sprachlehre) und ließ auch 
eine Sammlung altdeutscher Heldenlieder veranstalten. Uns ist leider 
von diesen Bestrebungen des großen Kaisers nichts überkommen, als 
die deutschen Namen, die er den Winden (Himmelsgegenden) und den 
Monaten gab. 
Karl war ein ächt deutscher Mann, von starkem Körperbau und 
schlanker Gestalt. Er hatte eine hohe, klare Stirn und überaus große 
lebendige Augen, die dem Freunde und Hülfebittenden freundlich, dem 
Feinde aber furchtbar leuchteten. In früher Jugend übte er nach 
Frankenart seine Körperkraft und wurde der beste Fechter und beste 
Schwimmer. Ein Hauptvergnügen war die Jagd, und wenn er seinen: 
Hofe ein Fest bereiten wollte, wurde eine Treibjagd angestellt. Alles 
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