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für die Kinder seiner Edelleute und Hofbedienten, erschien auch mehrmals
unvermuthet selbst mitten unter den Schülern, um mit eigenen Augen
zu sehen, wie es bei dem Unterricht herging. Einst fand er bei einem
solchen Schulbesuch, daß die Söhne der Edelleute und Vornehmen den
Bürgerkindern an Fleiß und Fortschritten weit nachstanden. Diese mußten
sich zu seiner Rechten, jene aber zu seiner Linken stellen. Dann sagte
er zu den armen, aber fleißigen Kindern: „Ich danke euch, meine Kin¬
der, ihr habt ganz meinen Wünschen entsprochen, euch zur Ehre und
zum bleibenden Gewinn." Zürnend wandte er sich hierauf an die vor¬
nehmen, aber trägen Kinder mit den drohenden Worten: „Ihr aber, ihr
Söhne der Edelen, ihr feinen Püppchen, die ihr euch der Trägheit und
dem Müßiggänge überließet und meinen Befehlen ungehorsam gewesen
seid, trotzet nur nicht auf Stand und Reichthum eurer Eltern, denn
wisset, Nichtswürdige haben vor mir weder Rang noch Ehre! Und
werdet ihr nicht fleißige Schüler, so soll keiner von euch mir wieder
vor meine Augen kommen. Beim Könige des Himmels, ich werde euch
strafen, wie ihr es verdient". —
Karl der Große war ein eifriger Beförderer des Christenthums. Neue
Bisthümer, Kirchen und Klöster ließ er gründen. Die Klöster
förderten innerhalb ihrer stillen Mauern damals nicht nur den Unterricht
der Jugend, sondern sorgten auch für Arme und Kranke, und nahmen
Reisende gastfreundlich auf; denn Gasthöfe gab es in damaliger Zeit
nur wenige. Auch beschäftigten sich die Mönche damit, die guten alten
Schriften der Griechen und Römer abzuschreiben — denn zu jener Zeit
war die Kunst, Bücher zu drucken, noch nicht erfunden; — sie schrieben
die Geschichten der Länder und Völker und die Thaten der Heiligen
auf, oder sie rotteten die Wälder aus und machten den Boden urbar
— kurz die Klöster wurden auf mancherlei Weise nützlich und waren
ein wahrer Segen des Landes. — Dem Könige Karl war sehr daran
gelegen, das Äußere des Gottesdienstes zu verschönern und den Kirchen¬
gesang zu verbessern. Er ließ Sänger und Orgelspieler aus Italien
kommen; denn seine Frauken hatten eine gar rauhe Stimme, so daß
ihr Gesang fast dem Gebrülle wilder Thiere glich. — Auch liebte Karl
seine Muttersprache; er arbeitete selbst mit den Gelehrten seines
Hofes an einer deutschen Grammatik (Sprachlehre) und ließ auch
eine Sammlung altdeutscher Heldenlieder veranstalten. Uns ist leider
von diesen Bestrebungen des großen Kaisers nichts überkommen, als
die deutschen Namen, die er den Winden (Himmelsgegenden) und den
Monaten gab.
Karl war ein ächt deutscher Mann, von starkem Körperbau und
schlanker Gestalt. Er hatte eine hohe, klare Stirn und überaus große
lebendige Augen, die dem Freunde und Hülfebittenden freundlich, dem
Feinde aber furchtbar leuchteten. In früher Jugend übte er nach
Frankenart seine Körperkraft und wurde der beste Fechter und beste
Schwimmer. Ein Hauptvergnügen war die Jagd, und wenn er seinen:
Hofe ein Fest bereiten wollte, wurde eine Treibjagd angestellt. Alles
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