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setzte sich zu Pferde, und nun ging es unter dem Klange der Hörner
und dem Gebelle unzähliger Hunde in lärmendem Jubel hinaus in die
Weite der Wälder, wo die Blüthe der jungen Edelmänner sich dann
durch Muth und Geschicklichkeit einander zu übertreffen suchte. Karl,
mitten unter ihnen, bestand manchen heißen Kampf mit wilden Ebern,
Bären und Auerochsen. Im Essen und Trinken war er sehr nüchtern.
Speisete er mit den Seinigen allein, so kamen nur vier Schüsseln auf
den Tisch. Ein Wildpretbraten, am Spieße vom Jäger zur Tafel ge¬
bracht, war seine Lieblingsspeise. Sein Schlaf war nur kurz. Selbst
des Nachts stand er mehrmals von seinem Lager auf, nahm Schreib¬
tafel und Griffel, um sich in der in seiner Jugend versäumten Schreib¬
kunst zu üben, oder er betete, oder er stellte sich ans Fenster und be¬
trachtete mit Ehrfurcht und Bewunderung den gestirnten Himmel. Eine
so einfache Lebensweise erhöhte die ohnehin so gewaltige Körperkraft
dieses Mannes, so daß man seinen Geschichtsschreibern wohl glauben
darf, wenn sie erzählen, wie er mit leichter Mühe ein Hufeisen brach
oder einen geharnischten Mann emporhob wie ein Kind, oder mit seinem
gewaltigen Schlachtschwerte einem Feinde den Kopf bis in die Tiefe
spaltete und Lasten hob, die ein gewöhnlicher Mann jetziger Zeit nicht
von der Stelle rücken könnte. Seine Kleidung war nach deutscher Art
einfach. Er trug Gewänder, von der fleißigen Hand seiner Gemahlin
verfertigt, Strümpfe und leinene Beinkleider, mit farbigen Bändern kreuz¬
weise umwunden, ein leinenes Wamms und über demselben einen einfachen
Rock mit seidenen Streifen, seltener einen viereckigen Mantel von weißer
oder grüner Farbe; aber stets hing ein großes Schwert mit goldenem
Wehrgehänge an seiner Seite. Nur an Reichstagen und hohen Festen
erschien er in voller Majestät, mit einer goldenen, von Diamanten
strahlenden Krone auf dem Haupte, angethan mit einem lang herab¬
hängenden Talare, mit goldenen Bienen besetzt.
Karl war auch ein großer Kriegsheld. Von allen Völkern, die
er besiegte, machten ihm die heidnischen Sachsen am meisten zu
schaffen. Diese wollten durchaus nicht ihrem heidnischen-Glauben ent¬
sagen und hatten jeden Glaubensboten, der ihnen die christliche Religion
predigen wollte, von sich gestoßen. Da zog Karl der Große das
Schwert gegen sie, um sie mit Gewalt zur Taufe zu treiben. Der Kampf
dauerte 30 Jahre (von 772—803). Endlich nahm Wittekind, ihr
tapferer Anführer, das Christenthum an und ließ sich taufen. Witte¬
kind wurde unter Karls Oberherrschaft Herzog der Sachsen; denn
Karl hatte sein großes Reich, welches Frankreich, einen Theil von
Spanien, das nördliche Italien, die Niederlande und Deutsch¬
land nördlich bis zur Nord- und Ostsee und östlich bis zur Elbe und
zum Raabflusse in Ungarn umfaßte — in mehrere kleine Bezirke
getheilt, und darin als Gehülfen in der Regierung Herzoge, Burg¬
und Markgrafen angestellt, welche ihm Berichte einsenden mußten
und Befehle von ihm erhielten. Hatte er so einen Befehl mit seinem
Degenknopf untersiegelt, so pflegte er zu sagen: „Hier ist mein Befehl,