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Handwerke Einbuße zu verzeichnen, indem einzelne lohnende Artikel,
welche sich zur fabrikmäßigen oder hausindustriellen Maffenfabri-
kation eignen, dem Handwerke entzogen werden. So hat die Korb-
macherei die Herstellung der feinen Ware an die Heimarbeit, die
Herstellung von Kinderwagen an Fabriken abgegeben, und nur die
grobe Weidenflechtware ist dem Handwerke geblieben. Die Buch¬
binderei hat fast ihr ganzes ausgedehntes Produktionsgebiet an mehr
als vierzig Arten von Spezialunternehmungen verloren; geblieben
sind ihr nur noch die Einbände für Privatkunden. Der Schlosser
hat gar den Artikel eingebüßt, von dem er den Namen hat, das
Schloß, der Bürstenmacher die Erzeugung von pinseln, Zahn- und
Nagelbürsten usw.
Eine Schmälerung des Arbeitsgebietes des Handwerkes tritt
weiter dadurch ein, daß die Fabrik die erste Bearbeitung des Stoffes
an sich gerissen hat. So verarbeiten z. B. die Kürschner die Felle
bereits zugerichtet; der Schmied bezieht die fertigen Hufeisen, der
Bürstenbinder die geschnittenen und gebohrten Hölzer und die zu¬
gerichteten Borsten, der Bautischler die zugeschnittenen Parkettböden.
Gewöhnlich wird im Anfange ein derartiger Verlust gar nicht als
Schädigung, sondern eher als eine Erleichterung empfunden. Ein
Schlosser, der alle Beschläge und Schlösser fertig aus der Fabrik
oder Handlung bezieht, kann leicht in einem Sommer mehrere
Bauten fertigstellen, während er früher, wo er diese Fabrikate erst
anfertigen mußte, vielleicht nur einen zu Ende brachte. Aber in den
meisten Fällen wird doch durch eine solche Beschneidung des Hand'
werks an seiner Wurzel ein Teil der Handwerksmeister überflüssig.
Endlich wird das Handwerk noch dadurch in seinem Pro¬
duktionsgebiete geschmälert, daß neue Rohstoffs aufkommen und
neue Herstellungsweisen entstehen, die sich für den Großbetrieb
besser eignen als die seither im Handwerk angewendeten. Ulan
erinnere sich nur an das Aufkommen der gebogenen (Wiener)
Ulöbel, an die Drahtseilfabrikation im Gegensatz zur Hanfseilerei.
Das emaillierte Kochgeschirr hat der Töpferei, der Klempnerei
und dem Kupferschmiedegewerbe zugleich Abbruch getan; die
Erfindung der Buchbinderleinwand (an Stelle des Leders und des
Pergamentes) hat der maschinellen Großbuchbinderei die Wege
geebnet.
Außer den erwähnten Vorgängen sind es noch eine Reihe anderer
Umstände, die das Handwerk in der Gegenwart in eine bedrängte
tage gebracht haben.
Jede größere Unternehmung, mag sie Fabrik-, Handels- oder
Verkehrsgeschäft sein, braucht für ihren eigenen Bedarf mancherlei
Handwerksarbeit. Solange solche Arbeiten nicht in größerer Ulenge
vorkommen, werden sie an Handwerksmeister hinausgegeben; werden
sie aber häufiger und regelmäßiger, so ist es vorteilhaft, in den
eigenen Räumen der Unternehmung einen Nebenbetrieb dafür ein-