Full text: Deutscher Schul-, Haus- und Kinderfreund

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warnend hall' ich durch der Felsen Klüfte, 
töne lustig, wo die Heerden ziehn; 
Andacht wekk' ich in de^ Frommen Herzen, 
jauchze bei der Ehe süßem Bund, 
und der Trauernden verborgne Schmerzen, 
mach' ich laut, doch ohne Zunge kund. 
Selig der, dem jede Lebensstunde 
als der Ruf zu reiner Lust erklingt, 
dem mein letzter, leiser Hauch die Kunde 
dcr Vergeltung schöner Thaten bringt. 
404. Abendglökklein. 
Glökklcin, Abendglökklein, laute Frieden, Freude allen Menschen zu. 
Helle lass dein Lied erschallen 
und bring Allen 
eine sanfte Ruh. 
Ruhe dem, dcr sorgt und weint, 
Ruh dem Freunde und dem Feind; 
allen Lieben bringe du 
Rühe und auch mir dazu. 
405. Des Armen Begräbniff. 
Ein Glökklcin tönet leise, 
das auf die letzte Reise, 
in hergebrachter Weise, 
entschlafene Pilger ruft. 
Wie hieß der Lebensmüde, 
dem jetzt dcr Gottcsfricde, 
bei Glokkenklang und Liede, 
erblüht aus offner Gruft? 
Sieh' her, es ist ein Armer, 
kein Freund folgt ihm, kein warmer, 
befreundeter Erbarmer 
aus seiner Vaterstadt; 
vier Träger, fremde Leute, 
sie schreiten kalt zur Seite, 
sein einziges Geleite 
zur kühlen Lagerstatt. 
Fürbass, die Reih'n der Häuser 
zieh'n schweigend, wie Karthäuser, 
sie durch die Stadt der Kaiser, 
durch's lebensfrohe Wien. 
Die Thüren sind verschlossen, 
das Leben sieht verdrossen — 
genießend und genossen — 
den Tod vorübcrzieh'n. 
Und denkt auch keiner, keiner 
der Lcbenssiolzen deiner — 
dir folgt doch Einer, Einer: 
der Sturm folgt dir zum Grab; 
er peitscht die Sargtuchsäume, 
das rohe Laub der Baume, 
des Jahres letzte Träume, 
streift er mit Saufen ab. 
Doch wie sic wollen weiter, 
gesellt sich noch ein Zweiter, 
ein schweigender Begleiter, 
gehüllt in grau Gewand. 
Der Wind zieht scharf dem Alten 
durch seines Mantels Falten; 
doch folgt, unabgchalten, 
dcr Greis zum Grabesrand. 
Und murmelt: Diese Scholle 
und eine Zähre rolle, 
Lcclassncr, dir zum Zolle, 
und deinem letzten Schmerz. 
Den konnt' ich nicht versüßen; 
doch ob sie all' dich ließen 
und treulos dich verstießen: 
hier klopft dir noch ein Herz! 
Ein Herz, das warm empfindet,- 
sich keiner Pflicht entwindet, 
sich selber sucht und findet, 
im Herrn und Bettler gleich. 
Ach, Fürst und Unterthanen 
geh'n nach durchlauf'ncn Bahnen, 
erfüllt von gleichem Ahnen, 
in's gleiche Himmelreich! 
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