IV
es darf sich nicht den Anschein einer Vollständigkeit geben,
wodurch die Leser zu dem Gedanken veranlasst werden könnten:
„Jetzt wissen wir Alles.« Im Gegentheil musses in jedem Gebiet
des Wissens nur so viel geben, dass der Wunsch entsteht, mehr
davon zu erfahren. Dass sich dabei um die Wahl der Stükke
nicht rechten lässt, dass der Eine dies, der Andere ein anderes
wählen werde, versteht sich von selbst.
Unser Schul-, Haus- und Kinderfreund giebt
keinesweges vollständige Wissensabrisse, aber er hat allseitige
Bildung und Krastwekkung im Auge; Geist und Herz, Ver¬
stand, Phantasie und Gemüth, — Alles soll Anregung und
Nahrung finden. Daher die Mannigfaltigkeit der Lesestükke
bei dem für jeden leichten erkennbaren Faden der Ordnung, der
sich durch das Ganze zieht. Hier wendet sich ein Stükk an den
erkennenden und begreifenden Verstand, ein anderes giebt dem
Witz und Scharfsinn Nahrung, dort eine Dichtung für Phantasie
und Gemüth, oder ein anmuthiges Wild das den Sinn für das
Schöne wekkt und veredelt.
Bei der Aufnahme der Stükke hat außer dem Angedeuteten
mich noch der Gedanke geleitet, die Leser geistig zu heben; alle
einfältigen Geschichten, womit die Kinderfreunde einer ftühern
Zeit mitunter wohlversehen waren, sind ausgeschlossen, dagegen
ist darauf Bedacht genommen worden, dass es auch die Erwach¬
senen der Volksklasse, welche wir bei der Herausgabe im
Auge hatten, gern und nicht ohne geistigen Gewinn aufschlagen
können.
Dass es wohlgethan sei, die Sprache des Volks in ein der¬
artiges Lesebuch zum Maßstabe bei der Auswahl der Stükke zu
machen, konnte ich mich nicht überzeugen.
Auch ist das Buch für keinen konfessionellen Zwekk be¬
stimm; es stellt sich lediglich in den Dienst der Menschen¬
bildung. Es hat im Auge geistige und sittliche Hebung der
untern Volksklassen, Klarheit und Erkenntniss, Veredlung des
Herzens, Bildung des Geschmacks — Tüchtigung in der Ge¬
sinnung.
Möge die Arbeit eine gesegnete sein, damit ich es nicht be^
reuen darf, ihr die spärlichen Stunden meiner Muße geopfert
zu haben.
Hirschberg in Schlesien, im Juni 1848.
K. F. M. Warider.