Full text: Der kleine Kinderfreund

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gerufen war und ihn untersucht hatte, erklärte, daß der Umtausch 
der Schade des Sklavenhändlers nicht sei. Nun führte man den 
verlangten Neger herbei. Welch ein Austritt, als der Sohn seinen 
Vater in den Ketten erblickte, ihm um den Hals fiel und Thränen 
der Freure weinte, daß er so glücklich sei, seinen Vater noch er¬ 
lösen zu können! Die Kette ward geöffnet, der Vater befreit und 
der Sohn eingeschmiedet. Dieser war vollkommen ruhig und bat 
den Vater dringend, sich seinetwegen nicht im mindesten zu betrü¬ 
ben. Aber tief bewegt zeigte der dänische Arzt den merkwürdigen Vor¬ 
fall deni dänischen Statthalter an, und dieser, von gleicher Menschen¬ 
liebe durchdrungen, ließ sogleich den befreiten Vater und die Ver¬ 
wandten vor sich kommen, redete es mit ihnen ab, daß der Kaufpreis 
nach und nach abbezahlt werden könne, ließ nun auch den wackern 
Sohn frei, und Alte reisten vergnügt nach ihrer Heimath zurück. 
55. Der Großvater und sein Enkel. 
Es war einmal ein alter Mann, der konnte kaum gehen. Seine 
Kniee zitterten; er hörte und sah nicht viel und hatte keine Zähne 
mehr. Wenn er nun bei Tische saß und den Löffel kaum halten 
konnte, schüttete er die Suppe auf das Tischtuch, und eö floß ihm 
auch wieder Etwas aus dem Munde. Sein Sohn und dessen Frau 
ekelten sich davor, und deßwegen mußte sich der alte Großvater 
hinter den Ofen in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen 
in ein irdenes Schüsselchen, und noch dazu nicht einmal satt. Da 
sah er betrübt nach dem Tische, und die Augen wurden ihm naß. 
Einmal auch konnten seine zitternden Hände das Schüsselchen nicht 
festhalten; es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge Frau schalt; 
er aber sagte Nichts und seufzte nur. Da kauften sie ihm für ein 
paar Pfennige ein hölzernes Schüsselchen, aus welchem er essen 
mußte. Wie sie nun sitzen, so trägt der kleine Enkel von vier Jahren 
auf der Erde kleine Brettlein zusammen. „Was machst du da?" 
fragte der Vater. „Ei," antwortete das Kind, „ich mache ein 
Tröglein; daraus sollen Vater und Mutter essen, wenn ich groß 
bin!" — Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an, fingen end¬ 
lich an zu weinen, holten sogleich den Großvater an den Tisch und 
ließen ihn von nun an immer mitessen, sagten auch Nichts, wenn er 
ein wenig verschüttete. 
56. Descheid des Thorschreibers. 
Vor mehr als dreißig Jahren kam ein alter Bauer mit wan¬ 
kendem Schritt, aus einen Stab gestützt, am Thore einer Residenz 
an. Der Thorschreiber sah aus seiner niedrigen Wachtstube her¬ 
aus und rief ihn an: „Woher, Alter?" — „Da drüben vom Walde
	        
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