Object: Lesebuch für unterfränkische Fortbildungsschulen

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Gott anbeteten. Als Nunnenbeck endigte, da waren alle voller Entzücken und 
namentlich leuchtete hell die Freude hervor aus Hans Sachsens Gesicht, der 
sein dankbarer Schüler war. 
Da trat als der vierte und letzte Sänger wieder ein Jüngling auf. 
Er gehörte auch zur Weberzunft wie Nunnenbeck, hieß Michael Behaim und 
hatte mancherlei Länder gesehen. Sein Vater hatte sich Behaim (Böhme) 
genannt, da er aus Böhmen nach Franken gezogen war. Mit rastloser 
Anstrengung übte sich der jüngere Behaim in der Singkunst und verglich sich 
mit Recht mit einem Bergmann, der mühsam gräbt und sucht nach edlem 
Golde. Nie war er früher in einer Festschule aufgetreten, da er nicht 
anders als mit Ruhm den Singstuhl besteigen wollte. Sonder Zweifel 
hätte Michael Behaim den ersten Preis errungen, wenn nicht Nunnenbeck 
vorher gesungen. 
Da Michael Behaim sein Gedicht vorgetragen hatte, so verließen die 
Merker ihren Sitz. Der erste trat zu Nunnenbeck und mit einem langen 
Glückwunsch hing er ihm den Davidsgewinner um und der zweite Merker 
zierte Behaims Haupt mit dem Kranze, der ihm gar wohl stand. Diese 
Gaben waren aber nicht Geschenke, sondern nur Auszeichnungen für die 
Feier des Tages. 
Das Fest in der Kirche war beendigt; alle drängten sich jetzt mit auf¬ 
richtiger Teilnahme zu den Begabten um ihnen freudig die Hände zu drücken 
und allmählich leerte sich die Kirche. 
Es war Brauch, daß die Meistersinger, insonderheit die jüngeren, sich 
nach der Festschnle in eine nahe gelegene Schenke begaben. Wie in der 
Kirche heiliger Ernst, so herrschte hier frohe Ungebundenheit. Hier wurde 
der Wein -getrunken, den der eine zur Buße, wie der Meister Kothner, der 
andere zur Ehre hergeben mußte, wie Meister Behaim, weil er zum ersten¬ 
mal begabt war. Fünf Maß Wein gab es heute zum Nachschmause. Die 
Meistersinger, etwa sechzehn an der Zahl, gingen über die Gasse paarweis 
hintereinander von der Kirche bis zur Schenke. Der bekränzte Behaim er¬ 
öffnete den Zug. Er hatte die Verpflichtung hier für die Aufrechthaltung 
der Ordnung zu sorgen und wie einem Merker mußten sich ihm alle unter¬ 
geben. Wenn die Meister ein Gesellschaftslied anstimmten, so verwaltete er 
das Geschäft eines solchen. Die geputzten Gäste stachen sonderbar genug 
von der Schenke ab, die von außen und innen gleich beräuchert und ver¬ 
fallen aussah. Nichts mehr als Tische und Bänke gab es in dein langen 
Zimmer und diese waren von der Art, wie man sie sonst in Bauerngärten 
findet. Allein heiterer Mut und ein gutes Glas Wein ließen all die Mängel 
übersehen. Soweit es nur der Raum gestattete, war Tisch an Tisch in einer 
Reihe nebeneinander gestellt und zu beiden Seiten setzten sich die Sänger. 
Obenan befand sich Behaim. Sein Thron war ein Lehnstuhl und ein höl¬ 
zerner Hammer sein Zepter. 
Ein Weinfäßchen war auf die Tafel mitten hingesetzt und einer der 
Meister hatte die Mühe des Zapfens, indem ihm unaufhörlich die leeren
	        
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