Full text: Lesebuch für hannoversche Volksschulen

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über bei dem Wirte zu bleiben, bei welchem sie übernachtet hatten. 
Um Mittag wollten sie weiter reisen; aber der Wirt und der gerade 
anwesende Stadtschreiber des Ortes ermahnten sie dringend, doch 
lieber bis zum folgenden Morgen zu warten; denn in einem halben 
Tage könnten sie nur bis in die Mitte des Waldes kommen. Dort 
gebe es zwar etliche Wirtshäuser; aber dieselben seien sehr verrufen 
und ständen in dem Verdachte, daß schon mehrere Mordthaten in ihnen 
geschehen seien. 
Die jungen Leute aber, die nach damaliger Sitte mit Seiten¬ 
gewehren versehen waren und dazu einen leichten, guten Muth hatten, 
lachten der Gefahr und traten dennoch die Reise in den Wald an, 
indem sie meinten, das Raubgesindel müsse sich eher vor ihnen, als sie 
sich vor ihm fürchten. 
Als sie nun bis gegen AbeüL gelaufen waren, kamen sie an 
eine Thalschlucht, in deren TieseKein einsames Wirtshaus stand. 
Dort beschlossen sie zu übernachten^-weil ^>ie Nacht schon anbrach. 
Als sie aber in das Haus einträte^ jmb die Wirtsleute sie so ganz 
besonders anblickten, auch der HundA den einer von ihnen mit sich 
führte, nicht über die Schwelle wollte, sondern winselnd und scheu 
vor der Thür umherlief, faßte sie ein Schaudern, und sie waren so 
ziemlich still, bis das Abendessen kam, wo sie dann unter-jugend¬ 
lichen Gesprächen das Grauen wieder vergaßen. In der Mitte des 
Zimmers stand- eine dicke hölzerne Säule, welche vom Boden bis 
zur Decke hinausragte und diese zu stützen schien. Um diese Säule 
herum ordnete jetzt die Hausmagd das Nachtlager von Stroh für die 
jungen Reisenden, und zwar so, daß die Kopfkissen, die sie auf die 
Lehnen der umgestürzten Stühle gelegt hatte, gerade an die 'Säule 
zu liegen kamen. Die jungen Leute wunderten sich über diese selt¬ 
same Einrichtung des Nachtlagers und fragten die Magd nach der 
Ursache. Die aber antwortete scherzend, es geschehe deshalb, damit 
die jungen Herren mit Händen und Füßen hübsch weit und bequem 
auseinander lägen und bei Nacht keinen Streit anfangen könnten. 
Darob lachten die Jünglinge, und weil sie von dem schlechten Wege 
ermüdet waren, beschlossen'sie, sich zur Ruhe zu legen. Vorher aber 
verriegelten fte_ die Thür und Nahmen ihre guten Waffen zur Hand. 
Allein sie griffen auch noch zu einer andern Waffe, zu der Waffe 
des Gebets; denn damals schämte man sich noch nicht, weder zu 
Hause, noch aus den Reisen, des lauten, gemeinsamen Gebets am 
Morgen und bei Tische und des Abends vor dem Schlafengehen; 
selbst die Fuhrleute jener Zeit legten sich nie schlafen, ohne daß sie 
zuvor ein Gebet gesprochen hatten. Die Jünglinge beteten daher mit 
einander noch das Abendgebet aus Arnds Paradiesgärtlein und dann 
das Lied:> 
Herr! es ist von meinem Leben 
Wiederum ein Tag dahin; 
Lehre mich nun Achtung geben. 
Ob ich frommer worden bin. 
Zeige mir auch selber an,' 
So ich was nicht recht gethan. 
Und hilf mir in meinen Sachen 
Ein gesegnet Ende machen.
	        
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