Full text: Lesebuch für hannoversche Volksschulen

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dritten Tage ihn wieder mit sich nehmen wollte, sagte der andre, 
den Weg zur Kirche wisse er wohl selbst; er habe nur zu wissen 
begehrt, wie man reich werde und solche Schätze bekomme, wie er; 
das solle er ihm weisen. Da sprach der reiche Schuster: „Hast 
du noch nicht gehört, daß der Herr Christus im Evangelium sagt: 
Trachtet am ersten nach dem Reiche Gottes und nach seiner Gerech¬ 
tigkeit, so wird euch das andere alles zufallen? Ich weiß keinen 
andern Ort, da man beides, den Schatz der Seelen und des leib¬ 
lichen Lebens, erlangen kann, denn in der Kirche." Der arme 
Schuster sagte: „Du kannst Recht haben, Bruder!" ging von nun 
an gern zur Kirche und hörte fleißig Gottes Wort; so kam er von 
seinen Schulden und erlangte auch einen glücklichen Fortgang in seiner 
Nahrung. 
Plag dich, ringe, sorge, sinn; ohne Gott ist kein Gewinn. 
Was der Sonntag erwirbt, schon am Montag verdirbt. Am 
Feiertag gesponnen hält nicht. Vorbei an der Kirch und am 
Schulhaus geht der kürzeste Weg ins Zuchthaus. Wer mor¬ 
gens Gott nicht dient, dient abends dem Teufel. 
18. Gedenke des Sabbattages, daß du ihn heiligest. 
Äm Emmerthal in der Schweiz lebte ein Bauer, der nach Gott 
und Menschen nichts fragte und bloß nach dem eigenen Kopfe fah¬ 
ren wollte. An einem Sonntage hatte er viel Korn draußen liegen. 
Als er nachmittags an den Bergen die Wolken sah, und die nasse 
Brunnenröhre, die ordentlich tropfte, da rief er das Gesinde zusam¬ 
men und sagte: „Nasch hinaus, gehäufelt und gebunden! Es wettert 
auf den Abend. Bringen wir tausend Garben trocken ein, so gibts 
darnach Wein genug."' Das hörte seine Großmutter: die war achtzig 
Jahr alt und ging auf zwei Krücken. Sie kam mühsam daher und 
sagte: „Johannes, Johannes, was denkst du doch auch? Solange 
ich mich zurückerinnern mag, ward hier am Sonntag nie eine Hand¬ 
voll eingeführt; und meine Großmutter hat mir gesagt, sie wisse auch 
nichts darum, und doch sei immer Segen bei der Sache gewesen, und 
von Mangel hätte man hier nichts gewußt. Und wenn es noch Noth 
am Mann wäre, Johannes, ein nasses Jahr! Aber trocken wars bis 
dahin, und trocken wird es wieder werden, und naß werden schadet 
dem Korne nichts, und würde es ihm schaden, so hast du zu denken: 
,Der Herr, der das Korn gegeben, gibt auch den Regens und wie ers 
gibt, hast du es anzunehmen. Johannes, thu es nicht, ich halte dich 
dringlich an!" 
'Das Gesinde stand umher; die Alten machten ernsthafte Ge¬ 
sichter, die Jungen lachten und sagten unter sich, das Altväterische sei 
abgethan, jetzt sei es eine neue Welt. „Großmutter, habt nicht Kum¬ 
mer," sagte der Bauer, „alles muß einmal zum ersten Male geschehen, 
und deswegen ists nicht bös. Unserm Herrgott wird das nicht viel 
machen, ob wir heute schaffen oder schlafen, und eben so lieb wird 
ihm das Korn in der Scheune, als im Regen sein. Was drin ist, ist 
drin, man braucht deswegen nicht Kummer zu haben; denn wie es
	        
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