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ohne daß Menschen im Schnee umkommen. Desungeachtet heißt
der Erzgebirger den Winter allemal freundlich willkommen; denn
er bringt ihm die Schlittenbahn, welche die Wege ebnet und den
Verkehr fördert. Man fährt nicht, sondern fliegt gleichsam, der Ge¬
fahr trotzend, über Berg und Thal, und selbst Kinder gleiten in
Schlitten, meist zwei und zwei, die steilsten Höhen hinab. Über¬
haupt ist die Jugend dort weit abgehärteter, als im Niederlande,
und oft, wenn man hier schon nach Pelz und Mantel greift, sprin¬
gen dort Kinder unter freiem Himmel barfuß in der dürftigsten Klei¬
dung umher. So begleiten sie auch, um eine Gabe bittend, den
Reisenden.
10. Thüringen.
1. Im Süden des Harzes breitet sich das Thüringer Berg-
und Hügelland aus. Das höchste Gebirge desselben ist der Lhü-
ringerwald, der nach Osten hin allmählich, nach Westen zum
Werrathale aber steil abfällt. Seine Luft ist bis weit in den Früh¬
ling hinein winterlich. Dennoch leben in seinen Thälern viele Men¬
schen, die in den Wäldern ihrer Heimat einen großen Reichthum
haben. Da gibt es Schmelz-, Eisen- und Stahlhütten, Draht-und
Blechhämmer. Vis tief in die Nacht hinein kann man die glut-
rothen Lohen zum Himmel aufsteigen sehen; dazu schlagen die mäch¬
tigen Pochwerke ihren einförmigen Tact; der Bach, der sie treibt,
rauscht in Feuerfunken über das arbeitende Rad; aus dem Ofen in
der Hütte fließt das Eisen wie ein rother Strom, oder gewaltige
Hämmer schlagen die Eisenmassen zu Stangen oder Blechen zurecht;
rußige Männer wandeln emsig zwischen den feurigen Massen, schüren
den Ofen, schöpfen das flüssige Eisen, oder bringen mit gewaltigen
Zangen die glutrothen Eisenstücke unter den pochenden Hammer.
Und der schwarze Wald ringsum sieht schweigend zu. Das ist wohl
wunderbar, wie da alles zusammenhilft zum Erwerb des Menschen:
der Eisenstein, der in den Bergen liegt; der Bach, der die Werke
treibt, und das Holz, das die Öfen heizen muß. — Geschickte Ar¬
beiter machen aus dem Eisen die blanken Flintenläufe und Messer,
Scheren, Beile, Bohrer und allerlei Geräthe, die weit in die Welt
gehen, und das Holz muß ihnen dabei dienen.
Ferner gibts im Thüringerwalde Glasfabriken, denen auch das
Holz helfen muß; denn das Feuer schmelzt aus Kiesel und Asche das
Glas. Es heizt die Ofen der Porzellanfabriken, in denen viele fleißige
Arbeiter Nahrung finden.
Auch der rußige Köhler, der im Walde in dampfenden Meilern
die Holzkohlen für Eisenhütten und Schmieden bereitet, nährt sich von
dem Holze. Andere zapfen den Nadelhölzern das Harz ab und machen
Pech und Kienruß daraus.
Viele Thürmger schnitzen zur Winterzeit, wenn es im Freien nichts
zu verdienen gibt, Mulden, Stiefelknechte und allerhand Hausgeräth;
andre machen schöne Spielwaren, die auf den Jahrmärkten zu sehen
sind und selbst bis Amerika geschickt werden.