Full text: Lesebuch für hannoversche Volksschulen

52 
Maulwürfe finden, und wo keine Maulwürfe sind, geschieht das 
auch nicht; folglich thuts der Maulwurf." — Der das sagt, ist ver¬ 
muthlich der nemliche, der einmal so behauptet hat: „Wenn im Früh¬ 
ling die Frösche zeitig quaken, so schlägt auch das Laub bei Zeiten 
aus; wenn aber die Frösche lange nicht quaken wollen, so will auch 
das Laub lange nicht kommen; folglich quaken die Frösche das Laub 
heraus." — Seht doch, wie man sich irren kann! Denn nicht der 
Maulwurf frißt die Wurzeln ab, sondern die Engerlinge, die unter 
der Erde sind, aus welchen hernach die Maikäfer und anderes Un¬ 
geziefer kommen. Der Maulwurf dagegen frißt die Engerlinge und 
reinigt den Boden von diesen Feinden. Es ist also begreiflich, daß 
der Maulwurf immer da ist, wo das Gras und die Pflanzen krank 
sind und absterben, weil die Engerlinge da sind, denen er nachgeht, 
und die er verfolgt. 
Alle Säuge'thiere, welche von Pflanzennahrung leben, haben in 
jeder Kinnlade, oben und unten, nur zwei scharfe Vorderzähne und 
gar keine Eckzühne, sondern eine Lücke bis zu den Stockzähnen. 
Alle Raubthiere aber, welche andere Thiere fangen und fressen, 
haben sechs und mehr spitze Vorderzähne, dann Eckzähne auf beiden 
Seiten, und hinter diesen zahlreiche Stockzähne. Der Maulwurf 
hat in der oberen Kinnlade sechs und in der unteren acht spitze 
Vorderzähne und hinter denselben Eckzähne auf allen vier Seiten, 
und daraus folgt: er ist kein Thier, das an Pflanzen nagt, sondern 
ein kleines Raubthier, das andere Thiere frißt. 
Wer also den Maulwurf ausrotten will, thut sich selbst den 
größten Schaden und den Engerlingen den größten Gefallen. Da 
sönnen sie alsdann ohne Gefahr die Wiesen und Felder verwüsten, 
können wachsen und gedeihen, und im Frühling kommt alsdann 
der Maikäfer, frißt die Bäume kahl wie Besenreis und bringt zur Ver¬ 
geltung auch Kuckuks Dank und Lohn. 
76. Der Sperling. 
Der Sperling gehört zu den Gassenbuben unter den Vögeln. 
An ihm ist nichts von Sauberkeit und Nettigkeit; nichts von dem 
lieblichen Wesen der Taube, nichts von dem süßen Sange der Lerche 
oder Nachtigal: es ist auch nichts an ihm, was zu loben wäre; 
alles verräth seinen niedern Sinn. Von Zucht und Ehrgefühl weiß 
er nichts; kein Eigenthum ist ihm heilig; alle Augenblicke hat er 
Händel mit seinen Kameraden und dabei gibt es ein Geschrei, daß 
man es im ganzen Dorfe hört; er ist flink und verschmitzt. 
In seinem dicken, röthlichbraunen Kopfe stehen ein Paar rohe, 
freche Augen, denen man sogleich ansieht, daß er sich um keinen 
Menschen bekümmert, und daß es ihm einerlei ist, was man von 
ihm denkt. Hierzu paßt sein plumper Schnabel, sein freches Geschrei, 
seine untersetzte Gestalt, wie sein Anzug. Es kümmert ihn nicht, 
was er anhat; Eitelkeit und Putzsucht kann man ihm nicht vor¬ 
werfen. Sein Kleid ist grob und grau; man kann nicht leicht 
Schmutzflecke darauf sehen, und er treibt sich damit auf dem Miste,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.