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90. Gott und genug.
Herr, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel
und Erde, Ps. 73, 25.
Du hast aber Gott, wenn du Christum hast, und Christum hast
du, wenn du an ihn glaubst, ihn als deinen Herrn und Heiland er¬
kennst, von ihm dich leiten und führen lässest; wenn er dein ganzes
Herz erfüllt, so daß du mit dem Apostel sagen darfst: Ich lebe, aber
doch nicht'ich, sondern Christus lebet in mir.
Wer das sagen kann, dem gehört die ganze Welt; es muß durch
Gottes Fügung alles dazu dienen, den Christen zu erfreuen, zu trösten,
zu fördern auf dem Wege zum ewigen Leben.
Die Welt erkennt freilich diesen Reichthum nicht an, weil er sich
auf der gemeinen Krämerwage nicht wägen und mit dem gewöhnlichen
Maßstabe nicht messen läßt. Aber was liegt daran, was die Welt
sagt! Der Wahlspruch des Christen ist:
Arm vor der Welt und reich in Gott.
91. Sorget nicht!
1. Ein Vöglein klein, ohne Sorgen,
Fröhlich Abend und Morgen,
Fleugt hin und her mit Singen in
den Wäldern,
Und läßt Gott walten, der es kann
erhalten.
2. Es kann nicht pflügen noch säen,
Weder ernten noch mähen.
Und lebt doch in Freuden ohne Be¬
schweren,
Und läßt Gott walten, der es kann
ernähren.
3. All Feiß ohn Gottes Gaben,
All Arbeit, Schinden und Schaben
Nach kleinem Gewinn, das schaffet
lange Schmerzen.
Der schwebet oben, der Gott traut von
Herzen.
92. Das Land der Zufriedenheit.
Barbara, eine Dienstmagd in Basel, hatte das Buch gelesen:
„das Land der Zufriedenheit." Sie bildete sich ein, dieses Land
finde sich irgendwo in der Welt, und beschloß, dorthin auszuwandern.
Sie kündigte ihrer Herrschaft den Dienst auf. Dieser wollte es durch¬
aus nicht gelingen, sie von ihrem Gedanken abzubringen.
Da kam einst der Pfarrer. Der grüßte die Barbara mit
folgenden Worten: „Nun, Bärbel, das freut mich doch recht, daß
ihr ins Land der Zufriedenheit wollt; das ist recht wacker von euch."
Bärbel sreuete sich hoch, endlich einmal eine Person zu treffen, die
in diesem Sinne mit ihr sprach. „Aber," fuhr der Pfarrer fort,
„wißt ihr auch, wo dieses Land der Zufriedenheit ist?" „Ja,"
erwidette sie, „das ist eben mein Kreuz, daß ich das nicht weiß,
und es mir niemand sagen kann." „Nun, ihr meint vielleicht, es
liege in Frankreich oder Spanien^ oder gar in Amerika. Aber so
weit hat man nicht dahin; es liegt ganz in der Nähe." „Wo denn?"
„Hier in der Stadt Basel, hier in diesem Hause könnt ihr in das
Land kommen. Aber fteilich, wenn ihr in demselben wohnen wollt,