Full text: Lesebuch für hannoversche Volksschulen

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schneidet das ins Herz, wenn keins daist! Und just so gings dem 
armen Kollheim oft genug. Das Betteln verstand er nicht; aber er 
verstand Schuhe zu flicken, Kochlöffel zu schnitzen und Besen zu binden 
und solcher kleinen Künste mehr, was er auch so fleißig that, daß er 
sich kümmerlich mit seinen Kindlein durchbrachte; — aber es kam doch 
mancher „lange Tag. 
Der Kollheim hatte einen recht guten Freund, der hieß Volk- 
mann, war auch ein Witwer, wie er, und hatte sieben unerzogene 
Kinder. „Gleich und gleich gesellt sich gern," heißts im Sprichwort 
und „das Unglück ist der beste Leim." Der Dolkmann und seine 
Kinder hatten auch der Fasttage so viele, daß sie schier die schwere 
Kunst bald gelernt hätten, wenn nicht das Lehrgeld gar zu schwer 
wäre. Beide Leidensbrüder waren ein Herz und eine Seele. Da 
sagte einmal der Volkmann zu seinem Busenfreunde Kollheim: „Ich 
ziehe nach Lauterberg ins Hannoversche; dort ist mehr Verdienst." 
Gesagt, gethan — und der Hausrath kostete nicht viel Fracht. Der 
Kollheim wünscht ihm alles, was ihm heilbringend sein kann; aber 
der Arme fands in Lauterberg nicht, — denn er erkrankte und starb, 
und die hungernden Kindlein schickten die von Lauterberg hin, wo 
sie hergekommen. Die Bauern im Dorfe dachten: „Was mich nicht 
brennt, das blase ich nicht!" und ließen die hungernden Waisen 
laufen. Dachte auch der blutarme Kollheim so? Nein, der nahm 
die sieben Waisen seines Freundes in seine kleine Hütte zu seinen 
drei Kindern, sah mit einer heißen Thräne gen Himmel und seufzte: 
„Herr, der du mit wenigen Broten Tausende gespeist hast, hilf, und 
verlaß mich nicht!" — Wenn die Noth am größten, ist Gott am 
nächsten! — denn das, was Kollheim gethan, wurde der preußischen 
Regierung in Erfurt bekannt, und diese sandte ihm 40 Thaler zur 
ersten Hülfe; auch sandte ihm ein frommer Mann heimlich 10 Tha¬ 
ler. Und als es der fromme Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. 
hörte, so sandte dieser dem guten Kollheim ein Kapitälchen, daß er 
sich konnte ein Feldgütchen kaufen; eins der Volkmannschen Kinder 
aber kam ins Waisenhaus nach Halle, welches der ftomme Franke 
gestiftet hat, der nicht sagte: „Was mich nicht brennt, das blase 
ich nicht!" 
Saget auch ihr nie so, wenn ihr hadern höret, wenn ihr Zeugen 
fauler Geschwätze, sündhafter Flüche, schändlicher Handlungen oder 
menschliches Jammers seid! Das brennt euch wohl, und wenn ihr 
nicht blaset — wie stehts dann um euer Gewissen? 
E8 geht dich auch an, wenn des Nachbars Haus brennt. 
107. Einen fröhlichen Geber hat Gott lieb. 
Niemand kann so arm sein, daß er nicht einem andern Armen 
ein Almosen reichen und Barmherzigkeit an ihm thun könnte, und 
die christliche Liebe ist allzeit reich und erfinderisch, es mangelt ihr 
nimmer an Mitteln. Wenn sie nichts anderes hat, holt sie dem 
Kranken einen Trunk frisches Wassers, oder geht aus und bittet sür 
ihn bei andern, oder macht ihm sein Bette, oder bindet ihm in der
	        
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