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strenge beobachteten. -- Kind, bewahre auch du die Scham¬
haftigkeit; sie ist eine der schönsten Empfindungen, welche
die Natur in unser Herz gepflanzt hat, die als sanft war¬
nende Hüterin uns vor Unrecht und Sünde bewahrt, und
zugleich zu demjenigen hinführt, was anständig und schön ist.
Daß die Teutschen tapfer gewesen, lehrt uns das Ge-
standniß ihrer Freunde und Feinde. Ihre Nachbarn, die
Gallier getrauten sich selbst nicht, sich mit ihnen an Tapfer¬
keit zu vergleichen. Einige Nationen von ihnen hielten
cs sogar für die größte Ehre, ihren Ursprung von den
Teutschen abzuleiten.
Machet auch ihr daher dem teutschen Namen Ehre,
bewahret den guten Ruf, den eure Vorfahren euch über¬
liefert haben.
So wie die Wunder der Natur, das Daseyn einer Welt,
die weise und verhältnismäßige Anordnung aller Kräfte in
derselben, so wie der Geist und das Herz, die in uns denken
und empfinden, uns allen zurufen: es ist ein allmäch-
liger, allweiser Schöpfer und Erhalter der Welt, ein Herr
Himmels und der Erde, ein gütiger Vater der Welt und
seiner Menschenkinder, ein Gott, der unsichtbar in uns,
um uns und über uns waltet! — so weckte schon in den
ersten erschaffenen Menschen der Schrecken des Donners,
des Sturms, die Vorstellung einer unendlichen Macht, die
unsichtbar da irgendwo sey: cs führte die Freude des
Sonnenscheins, der Genuß wohlschmeckender Früchte, das
Wohlgefühl wieder geschenkter Gesundheit nach schmerzhafter
Krankheit auf ein unsichtbares Wesen oben im Himmel,
das diese Sonne scheinen, diese Früchte reifen ließ, das
von dem Schmerz erlösete. So verehrten die Menschen
der Vorzeit nicht einen Gott wie wir, sondern sie hatten
viele Götter: einen Gott des Donners, einen Gott des
Windes, der Sonne, des Gedeihens der Früchte, der
Heilung von Krankheiten: kurz glles, was ihnen furchtbar