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viel Teufel in der Stadt, als Ziegel auf den Dächern, so will ich doch
kommen. Der Auflauf oes Volkes bei seiner Ankunft in Worms den
16. April war ungeheuer; und als er am folgenden Tage vor die
Reichsversammlung geführt wurde, mußte man, um durchzukommen,
mit ihm durch Gärten und Häuser kriechen. Er ward gefragt, ob er
seine Lehre widerrufen wolle. Schüchtern durch die große und glän¬
zende Versammlung, antwortete er, darüber bitte er sich Bedenkzeit
aus.' Und man beschied ihn auf den andern Tag. Gestärkt durch den
Zuspruch seiner Freunde, besonders seines Kurfürsten und des Landgra¬
fen von Hessen, beantwortete er jetzt die vorgelegten Fragen mit der
größten Fassung und sagte zum Schluß mit einem würdevollen Ton:
Weil denn eine schlichte, einfältige Antwort von mir verlangt wird; so
will ich euch eine geben, die weder Hörner noch Zähne hat. Ich glaube
weder dem Pabste noch seinen Versammlungen (Concilien); denn beide
haben oft genug geirrt und sich selbst widersprochen. Ich kann und
werde also nicht widerrufen, es sei denn, man widerlege mich aus der
heiligen Schrift, denn es ist nicht gerathen, etwas wider das Gewissen
thun. Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott Helfemir! Amen.—
Kurfürst Friedrich freute sich über diese Fassung und sagte, als er aus
der Versammlung kam: wie schön hat Pater Martin geredet vor Kaiser
und Reich; er war muthig genug, vielleicht zu muthig. — Man
deutete Luthern hierauf an, daß er wieder abreisen könne; doch vier
Wochen nachher ward er als Ketzer in die Acht, aller bürgerlichen Rechte
für verlustig erklärt, und jeder, der ihn beherberge, sollte gleiche Strafe
zu erwarten haben.
Indeß war Luther schon in Sicherheit gebracht. Als er am
4. Mai von seinem Vaterdorfe Möre abreiste, um nach Wittenberg
zurückzukehren, ward in der Nähe des Schlosses Altenstek, der Wagen
plötzlich von fünf verkappten Reitern angehalten, welche Luthern her¬
ausrissen, auf ein Pferd setzten, mit ihm in den Wald jagten und ihn
auf das feste Bergschloß Wartburg brachten, welches eine Stunde von
Eisenach mitten im Walde liegt. Hier erhielt er ein Zimmer, mir
allen Bequemlichkeiten, auch mit Büchern und Schreibmaterialien ver¬
sehen; und in der Nachbarschaft galt er für einen staatsgefangenen
Junker. Darum mußte er auch ritterliche Kleidung tragen und sich,
wie es unter Kriegsmännern Sitte war, den Bart wachsen lassen.
Alles dieses hatte sein Beschützer der Kurfürst Friedrich von Sachsen
veranstaltet, um ihn den Nachstellungen seiner Feinde zu entziehen.
Diese glaubten eine Zeitlang, er sei todt; bald aber erkannten sie durch
neue Schriften, die von ihm verbreitet wurden, daß er noch leben müsse,
aber wo er lebe, konnte niemand erfahren.
In dieser Einsamkeit erwachten bei Luther wieder, wie in frühern
Jahren, schwermüthige Gedanken, und er bildete sich ein, der Teufel
verfolge ihn für seine treuen Arbeiten am Worte Gottes. Diese Ein¬
bildung machte ihn so unruhig, daß er bei dem kleinsten Rasseln, das
er hörte, sich schon gefaßt hielt, vom Teufel geholt zu werden. Einst,
erzählt man, habe er sich eingebildet den Teufel an der Fensterwand zu
sehen, und habe mit dem Dintenfaß nach ihm geworfen. Noch jetzt zeigt
man Reifenden die Spuren dieser Dinte an der Wand des Zimmers,
wo Luther gefangen saß.