Full text: Gabriel Eith's Kleines Lehr- und Lesebuch der Gemeinnützigen Kenntnisse für Volksschulen

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viel Teufel in der Stadt, als Ziegel auf den Dächern, so will ich doch 
kommen. Der Auflauf oes Volkes bei seiner Ankunft in Worms den 
16. April war ungeheuer; und als er am folgenden Tage vor die 
Reichsversammlung geführt wurde, mußte man, um durchzukommen, 
mit ihm durch Gärten und Häuser kriechen. Er ward gefragt, ob er 
seine Lehre widerrufen wolle. Schüchtern durch die große und glän¬ 
zende Versammlung, antwortete er, darüber bitte er sich Bedenkzeit 
aus.' Und man beschied ihn auf den andern Tag. Gestärkt durch den 
Zuspruch seiner Freunde, besonders seines Kurfürsten und des Landgra¬ 
fen von Hessen, beantwortete er jetzt die vorgelegten Fragen mit der 
größten Fassung und sagte zum Schluß mit einem würdevollen Ton: 
Weil denn eine schlichte, einfältige Antwort von mir verlangt wird; so 
will ich euch eine geben, die weder Hörner noch Zähne hat. Ich glaube 
weder dem Pabste noch seinen Versammlungen (Concilien); denn beide 
haben oft genug geirrt und sich selbst widersprochen. Ich kann und 
werde also nicht widerrufen, es sei denn, man widerlege mich aus der 
heiligen Schrift, denn es ist nicht gerathen, etwas wider das Gewissen 
thun. Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott Helfemir! Amen.— 
Kurfürst Friedrich freute sich über diese Fassung und sagte, als er aus 
der Versammlung kam: wie schön hat Pater Martin geredet vor Kaiser 
und Reich; er war muthig genug, vielleicht zu muthig. — Man 
deutete Luthern hierauf an, daß er wieder abreisen könne; doch vier 
Wochen nachher ward er als Ketzer in die Acht, aller bürgerlichen Rechte 
für verlustig erklärt, und jeder, der ihn beherberge, sollte gleiche Strafe 
zu erwarten haben. 
Indeß war Luther schon in Sicherheit gebracht. Als er am 
4. Mai von seinem Vaterdorfe Möre abreiste, um nach Wittenberg 
zurückzukehren, ward in der Nähe des Schlosses Altenstek, der Wagen 
plötzlich von fünf verkappten Reitern angehalten, welche Luthern her¬ 
ausrissen, auf ein Pferd setzten, mit ihm in den Wald jagten und ihn 
auf das feste Bergschloß Wartburg brachten, welches eine Stunde von 
Eisenach mitten im Walde liegt. Hier erhielt er ein Zimmer, mir 
allen Bequemlichkeiten, auch mit Büchern und Schreibmaterialien ver¬ 
sehen; und in der Nachbarschaft galt er für einen staatsgefangenen 
Junker. Darum mußte er auch ritterliche Kleidung tragen und sich, 
wie es unter Kriegsmännern Sitte war, den Bart wachsen lassen. 
Alles dieses hatte sein Beschützer der Kurfürst Friedrich von Sachsen 
veranstaltet, um ihn den Nachstellungen seiner Feinde zu entziehen. 
Diese glaubten eine Zeitlang, er sei todt; bald aber erkannten sie durch 
neue Schriften, die von ihm verbreitet wurden, daß er noch leben müsse, 
aber wo er lebe, konnte niemand erfahren. 
In dieser Einsamkeit erwachten bei Luther wieder, wie in frühern 
Jahren, schwermüthige Gedanken, und er bildete sich ein, der Teufel 
verfolge ihn für seine treuen Arbeiten am Worte Gottes. Diese Ein¬ 
bildung machte ihn so unruhig, daß er bei dem kleinsten Rasseln, das 
er hörte, sich schon gefaßt hielt, vom Teufel geholt zu werden. Einst, 
erzählt man, habe er sich eingebildet den Teufel an der Fensterwand zu 
sehen, und habe mit dem Dintenfaß nach ihm geworfen. Noch jetzt zeigt 
man Reifenden die Spuren dieser Dinte an der Wand des Zimmers, 
wo Luther gefangen saß.
	        
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