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VI. Von betn Menschen.
Haber Vernunft und freien Willen — und dre¬
ist der größeste Vorzug des Menschen, der ihn weit über
alle Erdenbewohner erhebt und ihn zum Herrn aller übri,
gen Eroenbewohner macht. Unsere Seele, die, so lange
der Körper lebt, in demselben wohnt, und sich, wenn der
Mensch stirbt, von dern Körper trennt, kann sich Kennt,
ursse verschaffen, kann nachdenken und überlegen, wählen
rmd verwerfen, und wenn ihre Kräfte fleißig geübt wer¬
den, immer verständiger und besser werden. Daß sie dieß
»verde, dazu ist sie da, das ist ihre Bestimmung.
Der Mensch soll immer besser, d. h. immer verständiger
und tugendhafter, und dadurch hier auf Erden und in dem
Leben nach dem Tode immer glückseliger werden. Wo ist
ein Thier, das eine so herrliche Bestimmung hätte? Die
Thiere lernen nicht zu. Wie die Biber ihre Häuser, die
Dienen ihre Zellen, die Vögel ihre Nester vor vielen
Jahrhunderten daueren, so bauen sie sie noch; dahinge¬
gen der Mensch Alles, was er hervorbringt, immer voll¬
kommener machen lernt und immer-neue Dinge erfindet.
Was hat nicht der Mensch durch seine Vernunft zu Stau,
de gebracht, und was bringt er nicht noch täglich durch sie
zu Stande! Das mächtige Pferd und viele andere Thie,
re hat er gezähmt und zu feinem Dienste abgerichtet; er
bezwingt durch List und künstliche Waffen Löwen, Tieger,
Bären und andere reißende Thiere. Er bauet sich feste
Wohnungen, die ihn vor wilden Thieren, gegen Kälte,
Hitze, Wind, Schnee und Regen schützen. Gegen die
Ueberschwemmungen der Flüsse und des Meeres bauet er
Dämme; um sich vor den Verwüstungen des Blitzes zu
sichern, leg! er Blitzableiter an; er verpflanzt Gewächse,
die ihm nützlich sind, aus einem Erdtheile in den andern;
er holt aus den Tiefen der Erde das Erz, reinigt es von
allen fremden Bestandtheilen, und vorarbeitet die Metalle,
die er so gewinnt-, *u rau find schönen und nützlichen Din,
gen; er bauet Schiffe, und fuhrt mit ihnen durch die grö¬
ssten Meere, und weiß sich mit Hülfe des Kompasses
und guter Seekarten auch da zu finden, wo er oft Wochen
lang nichts als Himmel und Wasser sieht;, ja er eeyebt
sich mit leichten Fahrzeugen hoch in die Lust, und wird ge,
r-M auch noch die Kunst erfinden, ftne Luftschiffe zu lenken.