Full text: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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das Geld in seinen Taschen fand, konnte er wohl denken, wo es hergekom¬ 
men sei. Er freute sich zwar darüber, weil er mm seine Mutter besser 
unterstützen konnte, doch erschrak er auch zugleich)'weil der König ihn schla¬ 
fend gefunden hatte. Am Morgen, sobald er zum Könige kam, bat er 
wegen seines Dienstfehlers demüthig um Vergebung und dankte ihm für 
das gnädige Geschenk. Der gute König lobte seine kindliche Liebe, ernannte 
ihn sogleich zum Offizier und schenkte ihm noch eine Summe Geldes, um 
sich alles anzuschaffen, was er zu seiner neuen Stellung brauchte. Der 
treffliche Sohn stieg hernach immer höher und diente den preußischen Kö¬ 
nigen als ein tapferer General bis in sein hohes Alter. — Sir. 3, 16: 
Der Wohlthat, den Eltern erzeigt, wird nimmermehr vergessen werden. 
162. August Hermann Francke. (1698.) 
So hieß der Gottesmann, der vieler Waisen Vater geworden ist und 
durch Gebet und Arbeit ein Waisenhaus erbaut und fromme Stiftungen 
gegründet hat, die als Zeugen seines Glaubens noch dastehen und zu uns 
reden. Francke war Prediger und Lehrer in Halle. Sein Augenmerk war 
neben der Auslegung der heiligen Schrift auf die hülfsbedürftige Jugend 
gerichtet, von welcher täglich eine große Menge in seinem Hause zusammen¬ 
kam, um Almosen zu empfangen. Ihn jammerte des leiblichen und geist¬ 
lichen Elends, worin er diese armen Kinder traf. Wie gern hätte er auch 
an ihnen die Segnungen des Evangeliums zur Erfüllung gebracht! Der 
Spruch des Herrn, der den Kindern das Himmelreich zuweiset, erfüllte seine 
ganze Seele. Was sollte er thun? Almosen geben, wie wenig konnte 
das genügen! Zunächst behielt er die armen Kinder, die von ihm Almosen 
holten, in seinem Hause zum Katechismusunterricht bei sich, und dann erst 
theilte er ihnen die Gaben aus. Allein er erkannte bald, daß das nicht 
gründlich helfen würde. Man mußte die Kinder ganz aus ihrer drückenden 
Lage, aus ihrer ganzen verderbten Umgebung hinwegnehmen und ihr junges 
Leben in eine strenge und thätige Ordnung bringen. Aber wie sollte man 
dazu die Mittel finden? „Bei Gott ist kein Ding unmöglich." — Schon 
stand der Gedanke fest in Francke's Seele, zur Errettung dieser verlassenen 
Kinder ein großes Waisenhaus zu erbauen. Silber und Gold hatte 
er nicht, aber er hatte, was mehr ist, einen unerschütterlichen Glauben an 
den, der auch der Witwen und Waisen Vater sein will. — 
Vor einem Thore in Halle steht jetzt ein hohes Gebäude, das über 
seinem Eingänge Jes. 40, 31 als Inschrift trägt: „Die auf den Herrn 
harren, kriegen neue Kraft re." Dieser Eingang führt durch das Vorder¬ 
gebäude in einen sehr langen Hof, in eine wahre Straße, auf deren beiden 
Seiten hohe Häuser stehen. Hier erblickt man ein Waisenhaus für arme 
Kinder, eine Erziehungsanstalt für Kinder aus höheren Ständen, eine la- 
teinisehe und Real-Schule, Bürgerschulen, eine Buchdruckerei (Canstein'sche 
Bibelanftalt), eine große Buchhandlung, eine Apotheke, viele Wirthschafts-
	        
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