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ihr Gesang zum Himmel empor: „Ein' feste Burg ist unser Gott." Der
Kampf beginnt. An der Spitze der Psorzheimer steht ihr Bürgermeister
Deimling. Ein Mnsketenschuß zerschmettert ihm das rechte Bein; erknicet
auf das linke und schwingt die Fahne hoch empor. Eine Traubrnkugel
zerreißt ihm den rechten Arm, er nimmt die Fahne in die linke Hand. Noch
einmal hebt er sie empor und sinkt, von einer Kugel durchbohrt, zu Boden.
Ein Jüngling ergreift die Fahne. Furchtbar wüthet der Tod; Leichen
thürmen sich ans Leichen. Immer mehr schmilzt die Heldenschar zusam¬
men ; aber ihre Fahne hält sie allezeit hoch. Siehe, noch einmal flattert
sie, noch einmal blitzt ihre goldne Inschrift: „Ein' feste Burg ist unser
Gott" über das Feld des Todes; da saust ein Schwert durch die Luft, die
Fahne sinkt: der letzte der Vierhundert ist gefallen.
So viel aus der Lebensgeschichte dieser köstlichsten Perle unter allen
evangelischen Liedern. Zum Schlüsse sei noch des alten Reimleins gedacht:
Ein' feste Burg ist unser Gott,
Half vor Alters, hilft noch aus Noth.
185. Das Feuer im Walde.
Zwei Knaben liefen durch den Hain
und lasen Eichenreiser auf
und thürmten sich ein Hirtenfeu’r,
indes die Pferd’ im fetten Gras
am Wiesenbache weideten.
Sie freuten sich der schönen Glut,
die wie ein helles Osterfeu’r
gen Himmel flog, und setzten sich
auf einen alten Weidenstumpf.
Sie schwatzten dies und schwatzten
das,
vom Feuermann und Ohnekopf,
vom Amtmann, der im Dorfe spukt
und mit der Feuerkette klirrt,
weil er nach Ansehn sprach und Geld,
wie’s liebe Vieh die Bauern schund
und niemals in die Kirche kam.
Sie schwatzten dies und schwatzten
das,
vom sel’gen Pfarrer Habermann,
der noch den Nuszbaum pflanzen that,
von dem sie manche schöne Nusz •
herabgeworfen, als sie noch
zur Pfarre gingen, manche Nusz!
Sie segneten den guten Mann
in seiner kühlen Gruft dafür
und knackten jede schöne Nusz
noch einmal in Gedanken auf. —
Da rauscht das dürre Laub empor,
und sieh’, ein alter Kriegesknecht
wankt durch den Eichenwald daher,
sagt: „Guten Abend!“ wärmet sich
und setzt sich auf den Weidenstumpf.
„Wer bist du, guter alter Mann?“
„Ich bin ein preuszischer Soldat,
der in der Schlacht bei Kunersdorf
das Bein verlor und, leider Gott’s !
vor fremden Thüren betteln musz.
Da ging es scharf, mein liebes Kind!
Da sauseten die Kugeln uns
wie Donnerwetter um den Kopf! /
Dort flog ein Arm und dort ein Bein!
Wir patschelten durch lauter Blut
im Pulverdampf. „Steht, Kinder,
steht!
verlaszet euren König nicht! “
rief Vater Kleist; da sank er hin.
Ich und zwei Bursche trugen flugs
ihn zu dem Feldscher aus der
Schlacht.
Laut donnerte die Batterie;
mit einmal flog mein linkes Bein