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Hirtenbüblein sagte: „Gebt mir einen großen Bogen weiß Papier!"
Und dann machte es mit der Feder so viele feine Pünktlein darauf,
daß sie kaum zu sehen und gar nicht zu zählen waren, und einem die
Augen vergingen, wenn man daraus blickte. Da sprach es: „So
viel Sterne stehen am Himmel, als hier Punkte auf dem Papiere;
zahlt sie nur!" Aber niemand war dazu im Stande. Sprach der
König: „Die dritte Frage lautet: Wie viel Sekunden sind in der
Ewigkeit?" Da sagte das Hirtenbüblein: „In Hinterpommern liegt
ein Demantberg, der hat eine Stunde in die Höhe, eine Stunde in die
Breite und eine Stunde in die Tiefe; dahin kommt alle hundert Jahre
ein Löglein und wetzt sein Schnäblein daran; und wenn der ganze
Berg abgewetzt ist, dann ist die erste Sekunde der Ewigkeit vorbei."
Sprach derKönig : „Ich will dich fortan halten wie mein eigen Kind."
17. Die Biene und die Taube.
(Fabel.)
§in Bienchen fiel in einen Bach.
Dies sah von oben eine Taube
und brach ein Blättchen von der Laube
und warf's ihm zu.
Das Bienchen schwamm darnach
und half sich glücklich aus dem Bach.
Nach kurzer Zeit saß unsre Taube
in Frieden wieder auf der Laube.
Ein Jäger hatte schon
den Hahn auf sie gespannt.
Mein Bienchen kam,
— pick! stach's ihn in die Hand;
pusi! ging der Schuß daneben.
Die Taube flog davon.
Wem dankte sie ihr Leben?
18. Die Wohlthat.
(Fabel.)
„Hast du wohl einen größeren Wohlthäter unter den Thieren
als mich?" fragte die Biene den Menschen. — „Allerdings," erwi¬
derte dieser. — „Und wen?" — „Das Schaf; denn seine Wolle ist
mir nothwendig, dein Honig hingegen ist mir nur angenehm."
19. Die Singvögel.
Ein freundliches Dörfchen war von einem ganzen Walde
fruchtbarer Bäume umgeben. Die Bäume blühten und dufteten
im Frühlinge auf das lieblichste. Auf ihren Aesten und in den
Hecken umher sangen und nisteten allerlei muntere Vögel. Im
Herbste aber waren alle Zweige reichlich mit Aepfeln, Birnen
und Zwetschen beladen.