Full text: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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er unter sie trat in seiner ^blauen Uniform, den großen dreieckigen Hut auf 
dem Kopfe, die Hand auf einen Krückcnstock gestützt, so war das ein fest¬ 
liches Ereigniß für alle. Stets lief eine jubelnde Volksmenge neben seinem 
Pferde her, so oft er in die Stadt geritten kam. Und wie das preußische 
Volk auf seinen großen König stolz war, so verehrte, so bewunderte ihn ganz 
Europa. Als er endlich, 74 Jahre alt, nach 46jähriger Regierung, am 
17. August 1786 auf seinem Schlosse Sanssouci starb, war die Theilnahme 
eine allgemeine. Von den Thronen bis in die Hütten wirkte die Todes¬ 
nachricht erschütternd; alle fühlten, daß der größte Mann des Jahrhunderts 
aus der Welt geschieden war. In den Herzen der Preußen aber ist das Bild 
des „ einzigen Friedrich " lebendig geblieben bis auf den heutigen Tag. 
28. Preußens Demüthigung und Wiedergeburt. 
Der furchtbare Napoleon hatte bei Austerlitz die verbündeten 
Oesterreicher und Russen geschlagen. Die Folgen dieses Sieges waren für 
Deutschland sehr traurig. Oesterreich verlor mehrere seiner schönsten Län¬ 
der, von welchen Napoleon einen Theil an Baiern und Würtemberg 
schenkte. Die Beherrscher dieser Staaten erhob er zu Königen; dann 
stiftete er den Rheinbund, durch welchen sechzehn deutsche Fürsten sich 
von Kaiser und Reich lossagten und ihn selbst als ihren Schirmherrn 
anerkannten. So kam es, daß Kaiser Franz die deutsche Kaiserwürde, die 
jetzt völlig ihre Bedeutung verloren hatte, niederlegte und sich fortan nur 
noch Kaiser von Oesterreich nannte. Das war im Jahre 1806. 
Preußen hatte sich bis dahin vor jedem Kriege mit dem Gewaltigen 
gehütet. Aber Napoleon suchte den Streit und verletzte den friedliebenden 
König Friedrich Wilhelm III. durch Ungerechtigkeiten aller Art so sehr, 
daß der Kampf nicht länger zu vermeiden war. Da kam eine Zeit der 
schweren Prüfung über Preußen. In der DoPpelschlacht von Jena und 
Auerstädt wurden seine Heere geschlagen, Napoleon zog in Berlin ein 
und rückte bald bis an die Ostgrenzeu des Reiches. Da mußte Friedrich 
Wilhelm den traurigen Frieden von Tilsit eingehen, in welchem er die 
Hälfte aller seiner Länder, namentlich die fruchtbaren Gebiete zwischen Elbe 
und Rhein, abtrat und eine fast unerschwingliche Kriegssteuer zu zahlen sich 
verpflichtete. Ganz Deutschland war jetzt in der Gewalt des übermüthigen 
Napoleon, und seine eiserne Faust lag schwer auf dem unglücklichen Volke. 
Der Tilsiter Friede bezeichnet den Zeitpunkt der tiefsten Erniedrigung 
Preußens; aber von jenem tiefen Fall ging Preußens herrliche Wieder¬ 
erhebung aus/ Das Unglück und die Schmach jener Tage wurden als ge¬ 
meinsame Schuld empfunden, und in Folge der herben Prüfung und Züch¬ 
tigung machte die gottvergessene leichtfertige Denkungsweise der vorher¬ 
gegangenen Zeiten wieder einer würdigeren Gesinnung, echter Frömmigkeit 
und wahrer Manncstreue Raum. Im innigsten Anschluß an das erhabene 
Königspaar, Friedrich Wilhelm und Luise, welche als schönste Muster wür¬ 
diger Ergebung, geistlicher und sittlicher Kraft voranleuchteten, strebte das
	        
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