Full text: Vaterländisches Lesebuch für die Evangelische Volksschule Norddeutschlands

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ganze Volk arbeitete und lebte für den Krieg. Wer nicht mitziehen konnte, 
der gab sein Gut und die Arbeit seiner Hände. Freudig brachte die Haus¬ 
frau ihren Schmuck ober ihr Silbergerätb, das sic mit Zinn oder Eisen 
ersetzte, die Kinder ihren Sparpfennig, die Dienstmagd die Ringe aus ihren 
Ohren; — und edle Jungfrauen gab es, die, weil sie nichts anderes hatten, 
ihr langes, schönes Haar abschnitten und den Erlös dem Vaterlande brachten. 
Darum wird in der Geschichte des Vaterlandes der Frühling und 
Sommer 1813 unvergeßlich sein. Das aber ist das Herrlichste daran, daß 
die Menschen wieder lernten, ihre Herzen zu Gott empor zu heben, von dem 
allein Segen und Hülfe kommt. Deshalb wurden auch alle diejenigen, 
welche in den heiligen Krieg zogen, feierlich in den Kirchen eingeweiht, und 
an heiliger Stätte ward des Herrn Beistand in dem Kampfe für das Vater¬ 
land inbrünstig herabgefleht. Und wenn die ausrückenden Scharen durch 
Städte oder Dörfer zogen, geschah es unter ernstem, feierlichem Glocken¬ 
geläute. Das klang wohl wie Grabgeläute, und es konnten sich auch starke 
Männer in solchen Augenblicken der Thränen nicht enthalten. Aber wenn 
auch die Ahnung eines nahen Todes in die Brust der Streiter kam, sie 
blickten dennoch voll freudiger Erhebung zum Himmel empor; gingen sie 
doch dem schönsten Tode entgegen, dem Tode für's Vaterland! 
32. Die Schlachten des Freiheitskrieges. 
Napoleon hatte nach-seiner Rückkehr aus Rußland rasch ein neues, 
zahlreiches Heer geschaffen und den verbündeten Preußen und Russen ent¬ 
gegengeführt. In Sachsen, bei Großgörschen und bei Bautzen, 
geschahen die ersten Schlachten. Mit Heldenkühnheit fochten hier vor allen 
die jungen preußischen Krieger; doch die Franzosen behaupteten zuletzt das 
Schlachtfeld, und die Verbündeten zogen sich in guter Ordnung vor der 
feindlichen Uebermacht zurück. Bald aber folgte diesem Zurückweichen ein 
muthiges Vorwärtsdringen. Den Russen und Preußen schlossen sich die 
Oesterreicher an, und drei Heere standen nun dem französischen Kaiser ent 
gegen. Den Oberbefehl über die gesammte verbündete Streitmacht führte 
der österreichische Feldmarschall Fürst Schwarzenberg; der oberste 
Feldherr der Preußen war der General Blücher. 
Dieser edle Preußenheld, ein Greis an Jahren, ein Jüngling an 
Feuer und Kampfeslust, hat den Franzosen die grimmigsten Schläge aus¬ 
getheilt. Zuerst besiegte er sie in der Schlacht an der Katzbach in 
Schlesien. Verwegenen Muthes zog dort ein französisches Heer über das 
Flüßchen heran; da ruft Blücher seinen Kriegern zu: „Nun hab' ich genug 
Franzosen herüber, jetzt, Kinder, vorwärts!" Dies „Vorwärts" dringt 
allen in's tiefste Herz. „Hurrah !" jauchzen sie und stürzen auf den Feind. 
Der Regen rauscht in Strömen herab, an ein Feuern ist nicht zu denken, 
und mit Bajonett und Kolben bricht das Fußvolk, mit geschwungenem Säbel 
die Reiterei in die Franzosen ein, der alte Blücher, das Schwert in der 
Faust, allen voran. Mann an Mann wird gefochten, mit Muth und Wuth,
	        
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