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122. Der große Birnbaum.
Der alte Rupert saß eines Nachmittags im Schatten
eines großen Birnbaums vor seinem Hause; seine Enkel aßen
von den Birnen und konnten die süßen Früchte nicht genug
loben; da sagte der Großvater: „Ich muff euch doch auch
erzählen, wie der Baum, dessen Früchte euch jetzt so wohl
schmecken, hieher karm
„Vor mehr als fünfzig Jahren stand ich einmal hier,
wo damals ein leerer Raum war, und wo jetzt der Baum
fleht, und klagte dem reichen Nachbar meine Armuth. Ach,
sagte ich, ich wollte gern zufrieden sein, wenn ich mein Ver¬
mögen nur aUf hundert Thaler bringen könnte Der Nach¬
bar, der ein kluger Mann war, sprach: Das kannst du leicht,
wenn dU es darnach ansängst. Sieh', auf dem Plätzchen,
worauf du jetzt stehst, stecken mehr als hundert Thaler in
dem Boden. Mache nun, dass du sie herausbringst."
Ich war damals noch ein unverständiger, junger Mensch,
und grub in der folgenden Nacht ein großes Loch in dem
Boden, fand aber zu meinem Verdrusse keinen einzigen
Thaler. Als der Nachbar am Morgen das Loch sah, lachte
er, dass er sich beide Seiten hielt, und sagte: O du ein¬
fältiger Mensch, so war es nicht gemeint: — Ich will dir
aber einen jungen Obstbaum schenken; den setze in das Loch,
das du gemacht hast, und nach einigen Jahren werden die
Thaler schon zum Vorschein kommen."
Ich setzte den jungen Stamm ein, er wuchs und wurde
der große herrliche Baum, den ihr hier vor Augen seht. Die
köstlichen Früchte, die er die vielen Jahre her getragen hat,
brachten mir schon weit mehr, als hundert Thaler ein, und
noch immer ist er ein Capital, das reichliche Zinsen trägt.
Ich habe desshalb den Leibspruch des klugen Nachbarn nicht
vergessen; merkt ihn euch auch:
„Ein sichrer Reichthum ist Verstand
Und eine arbeitsame Hand."
223. Der gerettete Handwerksbursche.
Ein Handwerksbursche ging unweit Pressburg in Un¬
garn in der grimmigsten Kälte, mit seinem Bündel auf dem
Rücken, über die Haide. Seine Kleider waren dünn und
seine Strümpfe zerrissen. Ach, da fror es ihn sehr! Er
weinte und die hellen Thränen froren ihm auf den Augen¬
wimpern. „Lieber Gott!" seufzte er, „weit und breit kein
Dorf und keine Stadt, nicht einmal eine Köhlerhütte! Ich
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