Full text: Preußischer Kinderfreund

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8M Piaster findet." So sprach der Richter, und dabei 
btirb es. Hebe,. 
163. Kindesliebe. 
Ein preußischer Offizier, der sehr reich und aus vorneh¬ 
mer Familie war, hielt sich eine Zeit lang als Werber zu 
- Ulm in Schwaben auf. Endlich bekam, er Befehl, zu seinem 
Regimenté zurückzukehren, und machte sich reisefertig. 
Am Abende vor seiner Abreise meldete sich bei ihm ein 
junger Mann, um sich anwerben zu lassen. Er war sehr 
schön gewachsen, schien wohlerzogen und brav; aber wie er 
vor den Offizier trat, zitterte er an allen Gliedern. Der 
Offizier schrieb dieses der jugendlichen Furchtsamkeit zu und 
fragte, was er besorge? „Ich fürchte, dass sie mich abwei¬ 
sen", versetzte der junge Mensch: und indem er dieses sagte, 
rollte eine Thräne über seine Wangen. „Nicht doch, ant¬ 
wortete der Offizier, sie sind mir vielmehr außerordentlich 
willkommen. Wie konnten sie so etwas fürchten?" 
„Weil ihnen das Handgeld, welches ich fordern muss, 
vermuthlich zu hoch vorkommen wird." 
„Wie viel verlangen sie denn?" 
„Eine bringende Nothwendigkeit zwingt mich, hundert 
Gulden zu fordern, und ich bin der unglücklichste Mensch 
aus der Welt, wenn sie sich weigern, mir so viel zu 
geben." 
„Hundert Gulden ist freilich viel; aber sie gefallen mir ; 
ich glaube, dass sie ihre Pflicht thun werden, und ich will 
nicht mit ihnen handeln. Hier ist das Geld; morgen reisen 
wir von hier ab." 
Er zahlte die hundert Gulden aus; der junge Mensch 
war entzückt. Er bat darauf den Offizier um die Erlaub- 
niss, noch einmal nach Hause zu gehen, um eine heilige 
Pflicht zu erfüllen; in einer Stunde versprach er wieder da 
zu sein. Oer Offizier traute seinem ehrlichen Gesichte und 
ließ ihn gehen. Weil er indeff in dem Benehmen des jun¬ 
gen Mannes etwas Besonderes bemerkt hatte, so schlich er 
selbst ihm von ferne nach, um zu erfahren, wo er hingehen 
würde. Er sah ihn straks nach dem Stadtgefängnisse lau¬ 
fen, wo er anklopfte und eingelassen wurde. 
Der Offizier ging ebenfalls hinein und sah Alles, was 
vorging, und was den Jüngling bewogen hatte, sich anwer¬ 
ben zu lassen. 
Der Vater des Letzter» saß im Gefängnisse wegen einer 
Schuld von hundert Gulden, die er nicht bezahlen konnte.
	        
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