i
— 178 —
nig eine ernsthaftere Sprache an. Wisst ihr auch, guter.
Mann, dass ich gar nicht nöthig habe, viel Worte zu ma¬
chen? Ich lasse eure Mühte tariren und breche sie ab.
Nehmt alsdann das Geld oder nehmt es nicht! Da lächelte
der unerschrockene Mann, der Müller, und erwiderte dem
König: Gur gesagt, allergnädigster Herr, wenn nur das
Kammergericht in Berlin nicht wäre! nämlich, dass er es
wolle auf einen richterlichen Ausspruch ankommen lassen.
Der König war ein gerechter Herr und konnte überaus gnä¬
dig sein, also dass ihm die Herzhaftigkeit und Freimüthig¬
keit einer Rede nicht missfällig war, sondern wohlgefiel.
Denn er ließ von dieser Zeit an den Müller unangefochten
und unterhielt fortwährend mit ihm eine friedliche Nachbar¬
schaft. Der geneigte Leser aber darf schon ein wenig Re¬
spekt haben vor einem solchen Nachbar und noch mehr vor
einem solchen Herrn Nachbar.
Hebel.
194. Natur- und Kunsttriebe der Thiere.
Fortsetzung.
Wie bei dem Aufsuchen der Nahrung und bei der Ver¬
theidigung gegen Feinde, offenbaren viele Thiere auch bei
der Sorge für ihre Jungen einen merkwürdigen Natur¬
trieb. — Auffallend ist's, wie manche Thiere für die Nah¬
rung ihrer Jungen sorgen, bevor diese noch geboren sind;
namentlich die Thiere, welche sterben, ehe ihre Jungen le¬
bendig werden, wie z. B. der größte Theil der Insekten,
und die, welche sich von ihren gelegten Eiern entfernen, wie
z. B. die Fische und Amphibien. Diese lehrt ein bewunde¬
rungswürdiger Naturtrieb, ihre Eier an Orte einzulegen,
wo ihre Jungen am sichersten sind, und ihre Nahrung so¬
gleich in der Nähe finden.
Sehr groß ist die Liebe und Sorgfalt, mit welcher na¬
mentlich die vierfüßigen Thiere und Vögel ihre Jungen
pflegen und schützen. Selbst an den Thieren, welche sonst
keiner zarten Empfindung fähig zu sein scheinen, zeigt sich,
während sie Junge haben, eine lebhafte Zärtlichkeit. Mit
blinder Wuth sucht die Löwinn die Räuber ihrer Jungen
auf, und verräth durch das wildeste Brüllen ihren Schmerz
und ihre Sehnsucht nach dem Geraubten. — Selbst den
zaghaftesten Thieren giebt die Mutterliebe Heldenmuth. So
ist die von Natur so furchtsame Henne voll Kühnheit und
Muth, sobald sie die Jungen zu vertheidigen hat. Sie geht
dem sonst gefürchteten Hunde entgegen, greift ihn an und