- 209 —
unser" in einfacher Weise davon erzählt. Das Nachfolgende
ist ein kleines Stück aus demselben.
213. „Dein Reich komme!"
Es war im barten Winter des Jahres 1.819, als ich
mit einigen meiner Kinder zu Abend in einem kleinen Kar¬
tenhause saß. Wir hatten kurz zuvor einen Spazirgang ln's
Freie gemacht, und die muntern Knaben batten sich rechts
und links auf dem frischgefallenen Schnee ausgetrabt. Im
Kamin knisterte das Feuer, und auf dem Tische stand eine
erwärmende Suppe aufgetragen. Eben gedachten wir, uns
daran zu setzen, und eins von den Kindern schickte sich an,
das uralte Tischgebet: „Komm, Herr Jesu, sei unser Gast!"
einfältig und kindlich herzusagen, als fern jüngerer Bruder
die Frage auswarf: „Sage mir doch, lieber Vater, wer ist
denn der Herr Jesus, den du alle Tage so sorgfältig zu
Tische bittest? Wo wohnt er? Und warum kommt er nicht?
Wenn du mir sagst, wo er sich aufhält, so will ich wol hin¬
gehen und ihn abrufen!"
Vater. Du bist mein liebes Kind! Unser Gast kommt
schon noch! Glaube ja nicht, dass er unsre Einladung verschmäht.
Kind. So wollen wir einen Stuhl für ihn leer
lassen!
Vater. Thue das! —
Kind. Es klopft vor der Thür.
Vater. Siehe zu, wer es ist!
Kind. Ein armer, reisender Handwerksbursche.
Vater. Komm näher, Freund! Woher des Weges so
spät über den Thüringerwald, und in dieser rauhen Jah¬
reszeit?
Wanderer. Erbarmen, lieber Herr! Ich habe meine
beiden Füße erfroren! Der Abend ist vor der Thüre, und es
fehlt mir an Zehrgeld und einem Groschen zur Nachther¬
berge. Auch fühle ich mich ganz hinfällig. Seit drei Ta¬
gest ist kein warmer Bissen über meine Lippen gekommen!
Kind. Setze dich, fremder Mann! Du wirst müde sein!
Vater. Du sollst eine warme Suppe essen.
Kind. Die meinige—
Vater. In einem warmen Bette schlafen.
Kind. O, dass das meinige zu klein ist! - v.
Wanderer. Guter, lieber Engel.
Kind. Warum weinst du? friert dich etwa? Ich will
nicht eher ruhen, bis die Mutter dir ein Paar warme
Strümpfe für deine beiden nackten Füße geschenkt hat.
14