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Frankreich — Geschichte.
manen sich vermischten, Belgier genannt wurden. Julius Cäsar bezwang sie.
Seitdem war das Land römische Provinz, bis die deutschen Völker einbrachen
und zuletzt der Franke Chlodwig 486 durch Gewaltthaten und Meuchelmord
ein Reich gründete, das nachmals unter der Familie der Pipiniden zu einer
bedeutenden Größe erwuchs. Der ausgezeichnetste Pipinide, Karl der Große,
gebürtig aus Aachen und im Jahre 800 mit dem römischen Kaisertitel beehrt,
herrschte bis an Eider, Saale, Böhmerwald und Raab, in Italien bis jenseit des
Tiber, im Südwesten bis an den Ebro. Als 843 und 888 das Karolingische
Reich sich in mehrere Staaten trennte, blieb Frankreich ein eigner unab¬
hängiger Staat zwischen der Maas und dem atlantischen Meere, aber zerrüttet
unter den schwachen Nachfolgern Karls. Die großen Lehuträger oder Vasallen
der Krone hatten mehr Macht als der König, und wählten zuletzt (987), als das
karolingische Haus erlosch, einen unter sich, den an der Seine mächtigen Herzog
Hugo Capet, zum Oberherrn.
Das Glück wollte, daß die Capetingische Familie nicht ausstarb, und die
Kronvasallen nicht wieder Gelegenheit hatten, Könige zu wählen, denn Wahlherrn
gewinnen stets dabei an Ansehen und das Königthum verliert. Die Herrscher
Frankreichs konnten deshalb ihre Gewalt erweitern, und entweder mit den Waf¬
fen zu hochfahrende Vasallen demüthigen, oder die Herzogthümer und Grafschaften,
sobald die Familien der Besitzer ausstarben, mit ihren Kronländeru vereinigen.
In solchem Bestreben wurden die Könige im 12. und 13. Jahrhundert durch das
normandische Haus gehindert. Herzog Wilhelm von der Normandie eroberte
nämlich 1066 das Königreich England, und seine Nachkommen erhielten durch
Heirathen und Erbschaften das Herzogthum Guienne nebst Poitou, Anjon, Maine
u. s. w. Fast halb Frankreich (der ganze Westen) kam an England.
Der englische König war freilich dafür dem französischen lehnpflichtig, aber ein
so mächtiger Vasall brauchte nicht zu gehorchen. Das Glück Frankreichs wollte
jedoch, daß des Richard Löwenherz Bruder und Nachfolger, König John von
England, mit seiner Nation sich entzweite und so feig und schlecht regierte, daß
Philipp August von Frankreich (etwa 1200) ihm die meisten Besitzungen auf
dem Continent abnahm.
Unterdeß hatten sich das Lehnsystem, das Ritterthum, das Priester¬
thum nebst dem Klosterwesen, aber auch -das Bürgerthnm als Gegensatz
des Adels in Frankreich so gestaltet, wie man sie überhaupt im Mittelalter an¬
trifft. Mit Heldenmuth begannen die Kreuzzüge. Im südfranzösischen (proven-
zalischen) Dialekt und im nordfranzösischen (die Grundlage des jetzigen) ward
viel gesungen und geschrieben. Der denkende Geist begann zu erwachen und ließ
große Fortschritte hoffen. Im Süden bildete sich sogar eine Secte zur Ver¬
besserung der Kirche, Waldenser oder Albigenser genannt. Allein der
fürchterliche Krieg, welchen Papst Jnnocenz III. gegen sie erregte, zerstörte mit
dem Wohlstände des Landes auch die aufstrebende geistige Kultur, und zur Ver¬
hinderung ihres neuen Auflebens ward das Juquisitionsgericht erfunden.
Zwar that in andrer Werse die Entwickelung des französischen Volks einen neuen
Schritt, indem Philipp der Schöne (hundert Jahre nach Philipp August) sich