Full text: [Teil 4 = Tertia, [Schülerband]] (Teil 4 = Tertia, [Schülerband])

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6. Die Pyramiden von Memphis. 
Soweit unsere Kunde von den Ägyptern hinaufreicht, finden wir 
bei ihnen eine besondere Sorgfalt, die Körper der Verstorbenen der 
Verwesung zu entreißen und den Leichen eine sichere und kühle Ruhe¬ 
stätte im heißen Lande zu bereiten. Diese Ruhestätten mußten an ein¬ 
samen und abgeschiedenen Orten liegen, deren Natur der Stille des 
Grabes entsprach, sie mußten fest sein, um die Toten vor Störung und 
die Gräber vor Entweihung zu schützen; weder die Gewalt der Natur 
noch der Wille der Menschen sollte es vermögen, die Körper der Ab¬ 
geschiedenen anzutasten. In unzerstörbaren Gräbern sollten die Toten 
der Ägypter ruhen. Darum baute jedermann die Grabmäler seiner An¬ 
gehörigen, ja sein eigenes Grab im voraus so fest als möglich und 
schmückte es so gut aus, als er vermochte. Diodor sagt von den Ägyp¬ 
tern, sie hielten die Zeit des Lebens für sehr kurz, die Zeit nach dem 
Tode aber für sehr lang. „Daher nennen sie, fährt er fort, die Woh¬ 
nungen der Lebendigen Herbergen, weil sie nur eine kurze Zeit darin 
wohnen, die Gräber der Verstorbenen aber ewige Häuser, weil die Toten 
in ihnen eine grenzenlose Zeit zubringen. Auf die Erbauung der Häuser 
wenden sie daher weniger Mühe, die Gräber aber werden auf außer¬ 
ordentliche Weise ausgestattet." 
Etwa zwei Meilen westlich von Memphis erhebt sich ein ödes und 
einsames Felsplateau, gegen 30 Meter über dem blühenden und leben¬ 
digen Thale, welches sich mehrere Meilen weit in gleicher Richtung mit 
dem Flusse hinzieht. In diesen Felsenboden, welcher das fruchtbare 
Land von der Wüste scheidet, bargen die Memphiten ihre Toten. Hier 
waren sie in Grabkammern, welche in das Gestein gehauen oder da, 
wo der Boden lockerer war, ausgemauert wurden, vor den Überflutungen 
des Nils sicher. Die Toten im Westen der bewohnten Orte zu be¬ 
statten, war überall Sitte der Ägypter. Der Westen, wo die Sonne 
sinkt, wo sich jenseits der libyschen Berge die unendliche Wüste aus¬ 
dehnte, gehörte nach ihrer Anschauung den Göttern des Todes und der 
Unterwelt. Auch die Könige suchten auf dieser Felsplatte ihren Ruhe¬ 
platz; sie vor allen nahmen auf die Festigkeit und Dauer ihrer Gräber 
Bedacht. Die Stätte, wo ein König ruhte, sollte königlich bezeichnet 
und weithin sichtbar, seine Grabkammkr sollte schwerer zu eröffnen sein, 
sein Grabmal sollte alle anderen überragen. Die Könige von Memphis 
wollten auch nach ihrem Tode noch Könige sein. So mochte man zu¬ 
erst Steinblöcke auf das geschlossene Felsengrab eines Königs wälzen 
oder einen Erdhügel darüber aufschütten, wenn Sand und Erde in der 
Nähe war. Die heftigen Winde, welche aus der Wüste herwehten, 
wachten es jedoch nötig, diese Erdhügel mit Steinen zu befestigen und 
Zu bekleiden. Dadurch gewannen die Grabeshügel allmählich eine be-
	        
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