Full text: Lehrbuch der Geschichte der Völker und Staaten des Alterthums

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forderte mehr: „Nickt bloß entwaffnet und wehrlos solle 
„das feindselige Volk von Karthago da stehn, sondern 
„ausziehen mit Weib und Kind von Heerd undHeimath, 
„die Vaterstadt, die 700 Jahre gestanden und geblühet, 
„mit eigener Hand zerstören, und 2J Meilen von der 
„Küste, landeinwärts sich neue Hütten bauen!" 
Da aber ergriff daS Rachegefühl der empörten Mensch¬ 
heit und die Verzweiflung der Vaterlandsliebe den ver¬ 
sammelten karthagischen Senat und die ganze Gemeine: sie 
schwuren, mit Karthago zu sterben ! Sofort begannen die 
Nothanstalten der Gegenwehr! Eine lange Zugkette sperrete 
den Hafen, den Hasdrubal durch seine deckende Stel¬ 
lung nur für städtische Zufuhr offen erhielt; auf den Werf¬ 
ten dröhnte die Zimmeraxt, um Holz und Baume, Bre- 
ter und Balken zu Schiffen zu verarbeiten; in den Schmie¬ 
den pochte der Hammer, um Gold und Silber, Eisen 
und Kupfer zu Wehr und Waffen umzugießen; die Prie¬ 
ster öffneten ihre Tempelschatze, der Kaufmann gab seine 
Kleinodien, wie der Landmann seine Sicheln, ja! die 
Weiber zerschnitten ihr Haupthaar, um Taue und Sen- 
neen zu flechten; eine halbe Million Menschen wetteiferte 
in freiwilligen Gaben und Opfern, Arbeiten und Dien¬ 
sten, um die Vaterstadt, um Leben und Freiheit zu ret¬ 
ten. Und die Verzweiflung widerstand von der See und 
den 40 Ellen hohen Mauern her, 2 Jahre lang, zumal 
da auch der sterbende Ma sin issa, aus mißtrauischer Ei¬ 
fersucht seinen römischen Beistand mäßigte, und die Be¬ 
lagerer weder Thätigkeit noch Muth und Einsicht aufbo¬ 
ten. Unter so bedrohlichen Umständen wählte der Senat, 
der den Fehlgriff erkannte, zur Beendigung deS Kampfes, 
den noch jungen und unwahlfähigen P. Cornelius 147. 
Scipio, des Paulus Aemilius Sohn, zum Konsul 
und Feldherrn, einen Mann, der mit dem Heldengeiste 
seine-Vater- die liebenswürdigen Sitten des ältern Sci¬ 
pio, dessen Adoptiv-Sohn er war — (daher P. Corn. 
Scipio Aemilianus — Africanus minor —) und mit 
dem Rdmersinn der Besten seines Volkes, als Bewunde¬ 
rer des Polybius und Freund des Terentius und 
Panatius, die Feinheit und Anmuth griechischer Welt¬ 
bildung verband. — Dieser begann die saumselige Be¬ 
lagerung mit neuem Eifer und größerer Einsicht! Aber 
ungeachtet er sich der Landseite, der Erdenge des Hafens 
und einer Vorstadt bcmeisterte, und durch einen vorge¬ 
worfenen Meerdamm die Zufuhr hemmte r so vernichtete 
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