Full text: Der deutsche Kinderfreund

zur Beförderung guter Gesinnungen. 47 
bewegte, war sie sogleich bei der Hand, um sich zu crkundi- 
gen, was er verlange. So trieb sie es bis an den Morgen, 
und wie groß war nun ihre Freude, daß sie der guten Mut¬ 
ter eine ruhige Nacht hatte verschaffen können! 
Bald nachher wurde die Mutter auch krank, erholte sich 
aber bald wieder; nur fehlte es ihr an Kräften. Der Arzt 
hatte in Mariens Gegenwart gesagt: wenn die Kranke nur 
.täglich ein wenig Weile trinken könnte, so würde sie bald wie¬ 
der zu Kräften kommen. Aber wo sollte die arme Frau das 
Geld zum Wein hernehmen? Wilhelnls Krankheit hatte gar 
zu viel gekostet. Marie hörte, daß in dem Hause, wo sie 
wohnte, Jemand gesucht würde, der das klein gehauene Holz 
im Keller aufschichten könnte. Sie bat, daß man ihr die 
Arbeit übertragen möchte, und versprach, recht emsig dabei 
zu sein. Nach vier sauren Stunden hatte sie wirklich so viel 
verdient, daß sie für ihre Mutter ein wenig Wein kaufen 
konnte. Obgleich sie von der ungewohnten Arbeit sehr er¬ 
müdet war, so lief sie doch so schnell, als ob sie heute noch 
gar nicht gearbeitet hätte. Unbeschreiblich groß war ihre 
Freude darüber, daß sie durch ihrer Hände Arbeit der guten 
Mutter diese Erqnikkung hatte verschaffen können. Die Mut¬ 
ter war so gerührt über Mariens kindliche Liebe, daß sie 
Freudcnthränen vergoß. Wenn doch alle Kinder so gesinnet 
wären, wie die gute Marie! 
20. Der ungegründete Berdacht. 
§)em Kaufmann Müller waren seit einiger Zeit verschie¬ 
dene Flaschen mit Wein ans dem Keller gestohlen worden, 
und er konnte nicht herausbringen, wer wohl der Dieb sein 
möchte. Eines Tages kam sein Sohn Ferdinand ganz 
außer Athem zu Hause, und erzählte, nun wisse er ganz ge¬ 
wiß, wer die Flaschen aus dem Keller geholt hätte. Nun, 
wer denn? fragte der Vater begierig. Kein Anderer, sagte 
Ferdinand, als der kleine Ewald; denn ich habe ihn eben 
mit zwei Flaschen sehr ängstlich aus dem Keller schleichen sehen. 
Der kleine Ewald war in dem Hause des Herrn Müller bis¬ 
her viel auö- und eingegangen, und hatte, als ein armes Kind, 
manche Wohlthaten in dem Hause genossen. Man hielt viel 
auf den kleinen muntern Knaben, und hatte ihn bisher den 
ehrlichen Ewald genannt. Daher war Herr Müller nicht 
wenig erstaunt, als er horte, daß Ewald ihn bestehle, und
	        
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