50 ' II. Erzählungen
rung dieser Knaben mißfiel also dem alten Manne sehr.
Konnte sie wohl irgend einem verständigen Menschen ge¬
fallen? Was verständigen Menschen mißfällt,
das ist unanständig.
Ich will mich immer so betragen, daß verständige
Menschen mein Betragen mit Wohlgefallen bemerken
können.
2. Die Versuchung.
Ernst und Äugn st giengen eines Tages vor das Thor,
und kamen an einem Garten vorbei, welcher offen stand.
Sic giengen aus Neugierde hinein, und fanden einige
Pflaumenbäume, welche so voll von reifen Früchten hien-
gen, daß man sie hatte stützen muffen. Sieh, August,
sagte Ernst, hier können wir uns recht satt essen; cs ist
kein Mensch in dem Garten zu sehen; last uns geschwind
einen Zweig abbrechen, und damit fortlaufen. Nein ant¬
wortete August, das dürfen wir nicht thun, denn die
Pflaumen gehören uns ja nicht. Ei, was schadet das?
rief Ernst; der Mann, dem sie gehören, kann cs doch
unmöglich merken, daß wir ein Paar genommen haben,
er bat so viele, daß man sie nicht zählen kann. Aber
es ist doch Unrecht, wenn wir es thun, erwiederte Au¬
gust, denn man soll Nichts heimlich wegnehmen, wa-
Andern gehört, wenn es gleich nur eine Kleinigkeit ist.
Weißt du nicht mehr, was der Vater neulich sagte, als
er uns die Geschichte von dem Diebe erzählte, welcher
in Ketten vor unserm Hause vorbeigeführt wurde? Nun,
was sagte denn der Vater? fragte Ernst. Er sagte:
bei dem Kleinen fängt man an, und bei
dem Großen hört man auf. Ernst wurde nach¬
denkend, und sagte endlich: Du hast recht, lieber Au¬
gust; wir wollen weiter gehen.
Ernst war in großer Versuchung gewesen, etwas
Unrechtes zu thun, indem er die Begierde fühlte, Pflau-
^ men zu essen, welche ihm nicht gehörten. Wie gut war
es, daß ihn August warnte.
3. Die üble Gewohnheit.
6>o lange Franz in dem Hause seiner Aeltern war,
gieng er alle Tage, so bald es dunkel wurde, zu Bette,
j