Full text: Faßlicher Unterricht in der Natur-, Himmels- und Erdkunde (Theil 1)

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Stadt, wo nicht die schönen Künste ihre Verehrer fänden. Es ist auch 
sin Hauptgegenstand der deutschen Jugenderziehung, die Keime der 
schönen Künste in den jungen Seelen zu wecken und zu pflegen. 
Aber es giebt noch ein höheres Bedürfniß der Menscbheit, 
nämlich der Glaube an einen Gott, den Schöpfer, Erhalt 
ter und Beglücker des Weltalls; der Glaube, daß unsere Tugend und 
Rechtlichkeit sein ausdrücklicher Wille, und daß alle unsere geistigen 
und körperlichen Kräfte und Güter nur Mittel seien, sein hohes Gebot 
der Liebe gegen seine große Menschenfamilie zu erfüllen; der Glaube, 
daß die Menschheit von Stufe zu Stufe einer höhern Vollkommenheit 
und Glückseligkeit entgegen reife; der Glaube, daß unser besseres 
Wesen, unser Geist, über das Leben des Körpers hinaus reiche, und 
in einem veränderten Wirkungskreise fortlebe. Dieser hohe Glaube 
ist ein theueres unveräußerliches Eigenthum der Deutschen. — Es 
ist in Deutschland die Religion nicht eine Anstalt und ein Mittel des 
Staates, Sklavenseelen durch die Schrecken der Ewigkeit im Gehorsam 
zu erhalten; nein, sie ist mit dem innersten Leben des Volkes ver¬ 
wachsen, und das heiligste Bedürfniß der Einzelnen geworden. 
Ein Vorzug endlich, der das deutsche Volk vor den meisten Völ¬ 
kern des Erdbodens auszeichnet, ist die Vo rtrefflichkeit seiner 
Sprache. Wie ehrenvoll ist es für den Deutschen, daß seine Sprache 
nicht eine, von einem fremden Eroberer aufgedrungene, sondern eine 
freie ursprüngliche Sprache ist. Dieselben Töne, in welchen vor 
Jahrtausenden unsere Vorfahren den Himmel um seinen Beistand gegen 
eingebrochene Feinde anriefen, steigen noch jezt ans dem Munde ihrer 
Enkel zum Himmel empor. Diese Sprache ist ein Gebilde freier 
Männer, die ihre Kraft und ihren Muth in ihrer Volltönigkeit nieder¬ 
legten. Kein Heulen, Pfeifen, Zischen, kein widriger Rasclaut trü¬ 
ben den reinen Strom unserer Sprache; sie rollt mit dem Donner, 
braust mit dem Sturme, tobt mit dem Meere, lispelt mit dem Blatte, 
säuselt mit dem West, und jauchzt mit dem Himmel. 
II. Deutschlands Verfassung im Allgemeinen. 
Ehemals war Deutschland in 10 Kreise getheilt. Von diesen 
sagen im Donauthale; der östreichische, der baierische und der 
schwäbische; im Rhein-und theilweise im Wesergebict: der ober¬ 
rheinische, niederrheinische und tpestfälische; im Elbqc- 
biet der ober- und nieder sächsische; im Maingehiet der fränki¬ 
sche; im Maasgebiet der bürgn ndische Kreis. Die in diesen 
sinzelncn Kreisen gelegenen Staaten machten zusammen das bl. 
römische Reick ans, dessen Oberhaupt der Kaiser von Östreich 
unter dem Titel eines deutschen Kaisers war. Unter demlelben 
standen die vielen andern Fürsten, und Herrn von welchen sieben Kur- 
oder Wahtfürsten yox den andern hesondcrs hervorragten.
	        
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