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erhellten Vorflur gewahrt Guste den Träger, der zum Korbe gehört.
Auf der ersten Treppenstufe sitzend, einen Arm auf das Knie ge¬
stützt, den Kopf vornüber gebeugt, kauert er da, ein Bild echter,
rechter Müdigkeit. Er ist richtig eingeschlafen. „Na, der kann’s.
doch noch besser als ich,“ denkt Guste bei sich selber.
Des Burschen Bekleidung ist einfach genug. Seine Füße stecken in
Lederpantoffeln, und seine mehlbestaubten Hosen werden von einem
ledernen Leibriemen festgehalten. Im übrigen trägt er außer einer
kleinen Mütze nur noch ein Barchenthemd, dessen Ärmel zurück¬
geschlagen sind, und dessen Brustteil offen steht. So sieht ihn
Guste Sommers und Winters und höchstens mit dem Unterschiede,
daß er das leichtere Barchenthemd zur kälteren Jahreszeit mit einem
wollenen vertauscht hat. Eine dichtere Bekleidung würde ja auch
dem Burschen nur lästig sein, weil ihn schon sein Dienst reichlich
warm erhält. Es ist keine Kleinigkeit für ihn, am frühen Morgen
eilig von Straße zu Straße, von Haus zu Haus, treppauf und treppab
rennen zu müssen.
So sehr er sich aber sputet, wird er doch oft von den Kunden
selbst lange aufgehalten, die er vielfach durch sein Klingeln erst
wecken muß, und die zuweilen gar nicht sonderlich eilen, ihm
seine Ware abzunehmen.
Was Wunder, wenn der arg ermüdete Junge die Wartezeit
benutzt, um von seinem anstrengenden Laufen ein Weilchen aus¬
zuruhen! Dabei widerfährt ihm nun oft das Mißgeschick, daß
aus seinem „Nickchen“, das er machen will, ein regelrechter
Schlaf wird.
Wer wird ihn deswegen gleich schelten!
6. Morgenstunde. von Julius sturm.
Kinderlieber. Nürnberg o. I. [1893], S. 76.
1. „Horgenstund hat Gold im Hund,“
hält so Leib wie Geist gesund.
Auf! und wasch im klaren Quell
die verschlafnen Augen hell!
2. „Fang die Arbeit munter an,
dann ist sie schon halb getan!“
Wer sich lang erst dehnt und träumt,
hat die beste Zeit versäumt.