Full text: Hilfsbuch für den Unterricht in der Erdkunde

172 Europa. 
gräbereien mit dem doppelten Zwecke der Torfgewinnung und der Kultur 
des Untergrundes. Am überrascheudsteu ist der Anblick einer Fehnkolonie, 
wenn man sich derselben von der Movrseite naht. Zwischen der mit braunem 
Heidekraut und spärlichen Gräsern bedeckten Fläche des Moors tauchen große 
Torshauseu auf, zwischendurch Schisfsmasten, die mit ihren flatternden 
Winzeln im Moor zu stehen scheinen, Häuser, Muhleu, Bäume, von denen 
nur die Dächer, Flügel und Kronen zu erblicken sind. Kommt man näher, 
so sieht man, daß ein breiter Kanal sich in unabsehbarer Länge durch die 
Landschaft dahinzieht. Rechts und links am Ufer erheben sich in einer Ent- 
fernung von 50 bis 100 Schritten kleine strohgedeckte Hänser, deren Wände 
zuweilen nur aus Torf und Lehm aufgeführt sind, aber doch schon um- 
geben von kleinen Gärtchen, für die man den Raum dem angrenzenden 
Moor abgewonnen hat. Fast vor jedem Gehöfte liegt ein Schiff, das an 
Wert oft die ganze Wohnung des Fehnbauers übertrifft. — 3) Wir steigen 
von dem schwammigen Moore nieder zu dem festen Untergrunde, auf dem 
sich die Fehue aufbauen. Überall begegnet man dein regsten Fleiße. Dort 
am Rande des Hochmoors sind Torfgräber, Männer und Frauen, geschäftig, 
die schwarze Masse aus der „Pütte" (dem Torfschacht) zu heben und den 
nassen Torf in die Schläge zum Trocknen zu karreu. Hier karreu schwächere 
Kräfte den trockenen Tors von der Höhe in das Schiff. Dort bringt man 
den herbeigeführten Uberfluß der Marsch, Dünger und Schlammerde, an das 
User. Hier sind wieder andere thätig, die Hausen auf den neugewonnenen 
Untergrund zn bringen. Fahrzeuge, mit Torf beladen, gehen ab, andere 
kommen mit allerlei Rückfracht wieder an, vom Schiffer selbst oder seinem 
Knechte an langen Seilen gegen den Wind gezogen oder mit langen Stemm- 
stocken vorwärts geschoben. — 4) Wir gehen am Kanal hinunter. Immer 
weiter sind die braunen Ufer des Moors, welche das Fehnthal begrenzen, 
zurückgedrängt, immer weiter werden die Strecken kultivierten Landes, immer 
stattlicher die mit schattigen Linden umgebenen Häuser, immer größer die 
Gärten, die üppigen Kornfelder, die kleeigen Wiesen, auf denen schweres 
Rindvieh grast. Schiffswerfte zeigen sich, Korn- nnd Sägemühlen uud 
Gewerbebetriebe aller Art unterbrechen die Häuserreihen, stattliche Schulen 
und auf den größeren Fehnen auch Kirchen und Türme erheben sich, Zug- 
brücken und Stege verbinden die gegenseitigen Ufer, und in einer Stunde 
durchwandert man alle Entwickelnngsstusen von den ersten Anfängen einer 
Moorkolonie bis zum Dasein eines blühenden Fleckens. Und doch liegt oft 
die Zeit noch kaum ein Menschenalter zurück, wo sich auf diesem lebens- 
vollen Schauplatze nur Moor und Heide darbot! — 5) Woher der Wan¬ 
del? Der schiffbare Kanal ist die Lebensader der Fehne. Er verwandelt 
die grauenhaften Einöden in blühende Kolonieen. Freilich bedarf es dabei 
der beharrlichsten Thätigkeit seitens der Fehnbauern. Welche Mühe vernr- 
sacht schon die Aushebung des Kanals, und welch eine Fülle von Arbeit 
liegt zwischen dem ersten Torfstich und der kultivierten Fehnkolonie! Mit 
dem Grauen des Tages sind die Torfgräber schon in voller Thätigkeit, und 
selbst im Winter steht die Arbeit der Landkultur nnr dann, wenn der Frost 
ihr Halt gebietet. Wenn der Vater mit seinem „Wasserwagen" hinabfährt 
zur Stadt uud iu die Marschen, schaltet die Frau mit de» Kindern daheim 
und auf dem Felde, unterhält nicht bloß mit den Erzeugnissen der Wirt- 
, schast das Hauswesen, sondern versorgt auch das Schiff mit Nahrungs-
	        
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