Full text: Lesebuch für unterfränkische Fortbildungsschulen

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Geduld und Aufopferung nötig haben als die Krankheiten deS Körpers. 
Darum erinnert euch alle an jene Münchener Schwester und fragt euch, ob 
ihr nicht ähnlich werden möchtet und ob es etwas Schöneres auf der Welt 
gibt als solch ein Licht auszustrahlen? Wie anders würde es wohl in der 
Welt aussehen, wenn solche Schwestern nicht nur in den Lazaretten walteten 
sondern auch bei den Gesunden und Starken, bei den Zornigen und Hochmütigen, 
den Habsüchtigen und Engherzigen, den Trotzigen und Verstockten? Wenn 
alle diese einmal am Beispiel spürten, was Liebe und Aufopferung ist, und 
Sehnsucht bekämen danach! 
Nur müßt ihr nicht glauben, daß ihrso ganz ohne Vorbereitung berufsmäßige 
Krankenpflegerin werden könnt. Was muß die Krankenpflegerin lernen? Sie 
muß lernen, wie man zart und schonsam mit dem Leidenden umgeht, wie man 
ihn beruhigt und ermutigt, wie man ihn bettet und verbindet. Und sie muß 
all ihr eigenes Behagen in einem Meer von Geduld ertränken. Kranken¬ 
schwester für die Gesunden zu werden, ist aber fast noch schwerer, weil sie 
nicht so sehr unser Mitleid wachrufen und weil sie uns mehr reizen als die 
hilflosen Kranken. Aber man kann es lernen durch Übung, und wer sich so 
recht von Herzen sehnt eine Sonne zu werden für seine Mitmenschen, auf 
dessen Stirn wird auch endlich, endlich ein Schimmer zu leuchten be¬ 
ginnen. 
Beginnt nur damit, wenn ihr schlecht reden hört von andern Menschen 
oder lieblosen Klatsch vernehmt über eure eigenen Bekannten und nun in 
Versuchung kommt in den Chor einzustimmen! Und wenn ihr mit empfind¬ 
lichen und streitsüchtigen Menschen umgeht, so gelobt euch der Liebe treu zu 
bleiben und sie geduldig zu Pflegen, damit auch von euch einst ein Mensch 
sagen kann: „Ja, damals war ich im Himmel." Nach vr Fr. rs. Förster. 
61. Pas kranke Kind. 
Der Vater ist feit Jahren blind — 
Blind sein ist mehr als sterben! 
Die Mutter hat ein krankes Kind 
Und kann nicht viel erwerben. 
Die Stube war noch nie so warm, 
Obgleich das Fenster offen, 
Seitdem des Winters harter Arm 
Die Erde hat getroffen. 
Die Sonne küßt das bleiche Kind 
Zum erstenmal im Jahre; 
Es spielt ein weicher, warmer Wind 
Mit seinem feuchten Haare.
	        
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