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I. Erzählungen
wenn sie nach Endigung der Schulstunden mit dem Leh¬
rer allein war, so viel Böses zu erzählen, daß sie immer
mehr von der Liebe ihres Lehrers verloren. Dieser aber
hielt Henriettens Aussage darum für wahr, weil er eben
diese Schülerinnen schon von einer schlechten Seite ken¬
nen gelernt hatte.
Indessen kam ihre boshafte Verläumdung doch an
den Tag; denn sie verlaumdete einst eine sehr brave Mit¬
schülerinn, weil sie derselben die Liebe ihres Lehrers
mißgönnte. Da nämlich diese geheime Anklage genauer
untersucht wurde, entdeckte man die böse Verläumde-
rinn, und bestrafte sie. Von dieser Zeit an mochte Nie¬
mand mehr mit ihr umgehen, oder ihren Worten glau¬
ben. — Sir. 6,16.17. Sir. 6, 1. 2 Mos. 20,16.
41. Die unerfahrene Jugend.
Zwei Knaben spielten am Ufer eines Flusses, wel¬
ches hin und wieder von dem Wasser ausqerissen war.
Ein alter Hirt, der in dieser Gegend sein Vieh weidete,
warnte sie, daß sie nicht zu nahe an den Rand des Ufers
gehen sollten; denn er habe schon oft große Stücke von
selbst ins Wasser fallen gesehen.
Die Knaben meinten aber, sie wären ja weit ge¬
nug vom Flusse, und das Ufer wäre auch so dick, daß es
sie wohl tragen würde. Sie spielten also sorglos fort,
und näherten sich unvermerkt einer sehr hohlen Stelle.
Plötzlich brach ein Stück davon los, und der eine Kna¬
be, welcher darauf stand, fiel in den Fluß.
Vor Schrecken lief der Andere eiligst davon, und
weil er sich vor der Strafe fürchtete, sagte er zu Hause
kein Wort von diesem unglücklichen Falle. Der alte
Hirt, der dieß Alles mit angesehen hatte, rettete noch
mit großer Mühe den hinabgestürzten Knaben, der bei¬
nahe schon ertrunken war. Und was meint ihr, hätte
der Andere durch sein unzeitiges Schweigen wohl ver¬
dient? — Sprüchw. 13,14. Sir. 3, 27. Sir. 5, 2.
42. D ie Wahrsagerinn.
Eine Zigeunerinn kam in ein Dorf, und wollte den
Leuten für Geld wahrsagen. Einige waren auch wirk-