Object: Mit einer Einleitung, Übersicht der Satz- und Interpunktionslehre und Tabelle der Präpositionen (Teil 4 = 6. Schulj. (Quarta), [Schülerbd.])

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aus Eitelkeit, wie wohl thörichte Menschen bisweilen ohne alle Not und 
allen Nutzen etwas recht Gefährliches unternehmen, um von anderen 
Thoren wegen ihres Mutes bewundert zu werden; sondern es ist die 
jedem richtigen Menschen eingeborene Wißbegierde, die sie dazu antreibt. 
Der Mensch fühlt sich als den Herrn der Erde, und da will er auch 
einmal so hoch stehen als möglich, so weit umherblicken als möglich, und 
von oben auf einmal sehen, was er unten nur stückweise, eins nach dem 
andern erblicken kann. So lange wir das Fliegen noch nicht gelernt 
haben, müssen uns zu dieser Lust die hohen Landeswarten, die Berggipfel, 
verhelfen. 
Nicht immer ist die Mühe des Besteigens gleich glänzend belohnt. 
Oft breiten sich ärgerliche gleichhohe und höhere Rücken an der Seite 
aus, auf welche unsre Neugier am meisten gerichtet war. Oder es ver— 
sperrt oben Wald oder Buschwerk allenthalben die gehoffte Rundsicht, und 
nur durch kleine Lichtungen des Laubs erscheinen dürftige Bruchstückchen 
der ersehnten Landschaft. Am schlimmsten, aber gerade bei den recht 
hohen Bergen das Gewöhnlichste ist es, wenn die dichten Wolkenballen, 
die hier ihre Heimat haben, den Wanderer über und über in ihr feuchtes 
Gewand hüllen, daß er außer dem wenige Schritte breiten Rasen unter 
sich rings nichts sieht als die mattglänzende, unterschiedslose Helle. Denn 
solche Nebelkappen sitzen oft tagelang fest und spotten der Geduld oder 
Ungeduld, mit welcher einer auf das Aufziehen des Vorhanges wartet. 
Wenn aber auch die Hülle zerreißt, — und jeder Augenblick kann 
den befreienden Luftstrom senden, — und es liegt das Land tief umher 
im Sonnenschein, hier, nah' zu Füßen, die Wälder und die Vorstufen 
des hohen Felsgestelles, weiterhin Wiesenthäler, Kornfelder, Obstwald, 
dazwischen eine prachtvolle, tiefgrüne Seefläche, die buchtenreich sich bald 
versteckt, bald wieder hervortritt, buntbelaubte Inselchen tragend; wenn 
dann die Silberbänder der fließenden Gewässer verfolgt werden können, 
wie sie allenthalben freundliche Menschenwohnungen um sich gesammelt 
haben, Mühlen, Gehöfte, breite, grün durchwebte Dörfer und dichter ge— 
Städte; wenn dann vom freundlich unten hingebreiteten Thalland 
8 Auge sich wieder erhebt, die nachbarlichen Riesenberge dem Stand— 
punkt ebenbürtig sieht und nun erst recht ihre gewaltigen Massen, die 
Rücken, die Zacken, die Hochflächen und Falten und Thalschluchten alle 
mustern kann, bis es hinauf zum gleichfalls größer gewachsenen Himmel 
gezogen wird, an dessen unergründlichem Blau nun die weißen Nebelflocken, 
die kaum emporgezogenen, noch ganz nah und greifbar zu hängen scheinen: 
da freilich, in solchen Augenblicken vergißt der Beschauer wohl sich selbst 
und alles, was er drunten zurückließ, auf ein paar Augenblicke, und die 
Welt in ihrer ganzen Größe und Fülle macht ihn klein und demütig neben
	        
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