241
berg, da, wo die Geheimnisse der Unterwelt in hundert Gewölben der
Kalkfelsen eingeschlossen sind, breitet sich der wunderschöne See von
Zirknitz aus wie ein Spiegel von drei Quadrat-Meilen. Aus ihm
ragen fünf Inseln hervor, von denen eine selbst das Dörfchen Ottok
trägt. Um ihn reihen sich neun Dörfer, zwanzig Kirchen und zwei Schlös¬
ser. Der See ist reich an Fischen und Waffervögeln und die ganze
Thalgegend umher an Naturschönheiten. Bei vielem Regen gewinnt er
an Umfang; aber bet sehr trockenem Wetter verschwindet sein Gewässer
und zieht in den geheimen Schooß der Erde, begleitet vom Wasserge¬
flügel und allen Fischen. Tritt diese wunderbare Erscheinung ein, dann
läuten die Dörfer umher, um noch zu fischen, so viel als möglich. Von
Stunde zu Stunde sinkt tiefer der Spiegel; denn eine Menge von Lö¬
chern im Grunde des See's verschluckt sein Gewässer. Unterirdische
Höhlen von unermeßlichem Umfange, die nie ein menschliches Auge
gesehen, nehmen es auf. Jetzt schaut der Grund des See's zum hei¬
teren Himmel hinauf, er trocknet ab; und bald mäht der rührige
Mensch Gras, wo er sonst fischte; er säet Getreide und ärntet Hirse
und Buchweizen; er nimmt statt des Netzes das Feurerrohr und er¬
legt Hasen, Rebhühner, Wachteln. So ist der wunderbare See mit
Recht in dem Rufe, daß man in ihm fischen, jagen und ärndten kann.
Kommt aber die Zeit, wo sich häufige Regengüsse und starke Gewit¬
ter ^einstellen, dann strömt das Gewässer aus den Grundlöchern wie¬
der gewaltig heraus, so daß binnen vierundzwanzig Stunden der See
gleichsam wie neu geschaffen ist. — der Zusammenhang dieses See's
mit unterirdischen Wasserhöhlen, die theils unter ihm, theils höher als
er liegen, gibt die Erklärung des Wunders.
* 23.' Der See Genesareth.
An diesen herrlichen See, dessen reizvolle Umgebungen einst gleich¬
sam den Mittelpunct des Schauplatzes der Thaten Jesu bildeten,
knüpfen sich die hehrsten Erinnerungen, die das Evangelium mit seinen
Mahn- und Trostworten, mit seinen rührenden Gleichnissen und lieb¬
lichen Bildern zu unserm Heile und Frommen vor die Seele führt.
Er wird, wie der Merom, durch den vom Libanon kommenden Jor¬
dan gebildet; indem dieser in ein Z Stunden langes und 2 Stunden
breites Thalbecken sich ergießt und dasselbe erst ganz ausfüllt, ehe er
seinen Lauf nach Süden hin fortsetzt. Zu dem sumpfigen See Me¬
rom mit seinem trüben Wasser bildet ver See Genesareth, der auch
das galiläische Meer und der See Liberias genannt n>U, mit
seinem reinen, kühlen und süßen Wasser und mit seinem sandigen
Grunde den geraden Gegensatz. Der länglichrunde Spiegel seines
dunkelblauen Gewässers blickt klar und glänzend zwischen den Bergen
hervor; deßhalb heißt der See in der bilderreichen Sprache der Morgen-
länder auch das Auge der Gegend. Inf Süden wie im Norden
begränzen ihn fruchtbare Ebenen; im Osten und Westen dagegen um-
Leseb. s. «5. Cl., 26. Aufl. \ \