nimmer gebetet: „Erbarme dich unser!" „Erlöse uns!" und dergl.
sonders allzeit und einzig und allein: -.Bitte sür uns!"
Die Kirche macht auch den Gläubigen die Anrufung der Heiligen
um ihre Fürbitte nicht zur Pflicht, sondern sagt nur: „Es ist gut
und nützlich." Daß fie aber nicht glaubt und lehrt, es bedürfe bei
dem Gebete zu Gott erst der Umwege und vermittelnden Vorstellun¬
gen, wie dieses wohl oft bei den Großen der Erde vorkommen mag,
das beweiset fie thatsächlich, indem sie selbst alle ihre Gebete
— auch an den Festtagen der Heiligen — jedesmal und geradezu an
Gott richtet, niemals erst an die Heiligen. Dagegen schließt fie ihre
Gebete mit den Worten: „Durch Jesus Christus, unseren
Herrn" rc., und legt dadurch das offenbare Bekenntniß ab, daß fie
Jesus als den wahren Mittler zwischen Gott und den
Menschen anerkenne. (Rom. VIII, 34.; I. Joh. II. I.; Eph. II. lg.)
Ein Blick ins Leben lehrt uns, daß auch der nicht-katholische Christ
die Bildnisse oder Reliquien von Personen, welche ihm werth und
theuer sind, hochschätzt und verehrt, oder vielmehr, wie der Katholik
in den Bildnissen d i e vorgestellten Personen, in den Re¬
liquien diejenigen, welchen sie einstangehörten. Welchem vernünf¬
tigen Menschen kann es wohl einfallen, die Kinder zu tadeln, die in
ven Bildnissen ihrer Eltern, Großeltern oder theuren Verwandten diese
ihnen ehrwürdigen Personen verehren? Wer tadelt wohl den guten
Unterthan, daß er das Bildniß seines Landesvaters im Zimmer auf¬
hängt, etwa am Geburtstage desselben das Bild bekränzt und da¬
durch seine Liebe und Anhänglichkeit an die hohe und theure Person
an den Tag legt? Wer wird den Krieger, den Künstler, den Gelehr¬
ten, den Staatsmann tadeln, wenn er die Bildnisse der Helden und
Meister seines Standes zu besitzen trachtet, und auf diese Weise seine
Achtung und Verehrung gegen diejenigen ausspricht, welche durch die
Bilder dargestellt find? Sollten auf solche Weise nicht auch diejenigen
eine Verehrung verdienen, welche für die höchste und heiligste Ange¬
legenheit der Menschheit, sür die g r o ß e Gottessache — für die
Religion — so Vieles und Großes gewirkt und geleistet, sogar ihr
Gut und Blut und Leben großmüthig zum Opfer gebracht und der
Menschheit so unendlich viel genützt haben? — Dieses wohlverdiente
Andenken, verbunden mit der von der Kirche beabsichtigten Erinnerung
an ihren musterhaften, zur Nachahmung empfohlenen und empfehlens-
verthen Lebenswandel, ist der Grün d, warum der katholische Christ
die Bildnisse und Reliquien der Heiligen ehret und hochschätzet. Und
ie eifriger er sich bestrebt, ihr Tugendbeispiel nachzuahmen, desto wür¬
diger und Gott wohlgefälliger ist die Verehrung. Keineswegs aber
ist er der Meinung, und noch viel weniger ist es je Lehre der katho-
ischen Kirche gewesen, daß in solchen Bildern oder Reliquien irgend
ine Kraft verborgen sei. durch welche dem Menschen in diesem oder
,-enem Falle unfehlbar könne geholfen werden.