424
Beruf und den Dienst vollenden kann, welchen er vom Herrn Jesus
Empfangen hat, das Evangelium der Gnade Gottes zu bezeugen".
Diese Hirtenliebe des Pfarrers weiß aber auch die Gemeinde zu
würdigen und zu erwiedern, und sie versüßt ihm dadurch die Bitter»
fetten und Beschwerden seines Amtes. Sie gehorcht dem Apostel, der
da schreibt: „Wir bitten euch, Brüder, seid zugethan denen, welche
unter euch arbeiten und euch im Herrn vorstehen; achtet sie hoch in
Liebe um ihres Werkes willen," und schließt sich in treuer Liebe an
ihren Hirten an. Diese Liebe an den Tag zu legen, ist ihr unabweis¬
bares Bedürfniß. Darum sorget sie zunächst für den anstän¬
digen Unterhalt des Pfarrers. Cr bedarf und verlangt für
sich nur Weniges; „denn nicht wegen des schnöden Gewinnes weidet
er die anvertraute Herde Gottes", und er spricht mit dem Apostel:
„Ich suche nicht das Eurige, sondern Euch." Er ist zufrieden, wenn
er das fürs Leben Nothwendige hat, und keine Nahrungssorgen sein
Wirken lähmen; aber er bedarf auch für die Armen, deren Wohlthäter
und Vater er ist. Was er bedarf, hat er ein Recht zu fordern. „Welche
dem Altar dienen, sollen vom Altar ihren Theil empfangen." Kein
Glied der Gemeinde nun verweigert seinen Beitrag, und wer beiträgt,
trägt mit Anstand und Würde und im Gefühle der Pflicht bei. „Oder
ist es etwas Großes, wenn der Pfarrer, der seiner Gemeinde Geist¬
liches säet, von ihrem Irdischen ärntet?"
Die Gemeinde erweiset zweitens dem Pfarrer hohe
Ehrfurcht und Achtung. Er lucht diese nicht für seine Person:
als Stellvertreter Dessen, der, obwohl Er Gottes Sohn war, Sich
bis zum Tode des Kreuzes erniedrigte, ist er von Herzen demüthig;
aber er fordert sie wegen der Hoheit seines Amtes und dessen Er¬
folges, der zum großen Theile von dem Ansehen abhängt, das er ge¬
nießt. Das begreift Jeder, und Jeder achtet in ihm den Herrn, an
dessen Stelle er steht und dessen Gesandter er ist. Wo er erscheint,
da wird ihm mit Ehrerbietung begegnet; wo von ihm gesprochen
wird, da geschieht es mit Hochachtung. Niemand wagt, ihn zu ver¬
achten; denn „wer ihn verachtet, der verachtet Jesum, wer Jesum ver¬
achtet, der verachtet den Vater, der Ihn gesandt hat". Niemand er¬
laubt sich frechen Tadel. Thut er, was Tadel verdient, so schenkt ihm
Jeder herzliches Bedauern, weil Jeder einsieht, wie leicht der Geist¬
liche straucheln kann, der auf so gefährlicher Höhe steht, und Niemand
will durch schonungsloses Nichten und Verdammen die Ehre und Ach¬
tung des Fehlenden gänzlich vernichten. Ist und bleibt er doch, obschon
sündhaft, ein Priester des Herrn, und wie gar nichts gewinnt, wie¬
viel aber verliert die Herde, deren Hirt durch den Verlust seines An¬
sehens zum „schaalen Salz und erloschenen Lichte" geworden ist!
Die Gemeinde begegnet drittens dem Pfarrer mit
herzlichem Vertrauen. Seine Hirtenliebe erweckt und verdient
ihm Vertrauen. Sie ist die Ursache, daß die Glieder der Gemeinde