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War wie eine große Waffenftätte; alle Kräfte regten sich in neuer Lust
und Frische. Jünglinge, die kaum aus dem Knabenalter getreten waren,
Männer mit grauem Haar, Väter von zahlreicher Familie, Geschäfts¬
männer, Gelehrte, reiche Gutsbesitzer, ja, selbst Jungfrauen in Männer¬
kleidung — Alles eilte herbei zu den Waffen." — „Wer nicht mitziehen
konnte, der gab sein Gut oder, wenn er nichts hatte,die Arbeit seiner
Hände. Freudig brachte die Hausfrau ihren Schmuck oder ihr Silberge-
räth, das sie mit Zinn oder Eisen ersetzte, die Kinder ihren Sparpfennig,
die Dienstmagd die silbernen Ohrringe; und edle Jungfrauen hat es ge¬
geben, die, weil sie nichts zu geben hatten, in Thränen klagten, bis ih¬
nen der Gedanke kam, ihr langes, schönes Haar abzuschneiden, um mit
dem Preise desselben ihre Schuld an das Vaterland zu lösen." Diese
^ohe Begeisterung theilte sich, gleich dem elektrischen Feuer, allen deut¬
schen Völkern mit, und mit Ungeduld wartete jedes auf den Augen¬
blick, da sein Fürst sich für Deutschlands Sache erklärte. Napoleon er¬
kannte die Gefahr, welche seiner Herrschaft drohte, und führte im Früh¬
ling 1813 abermals ein Heer von beinahe einer halben Million ins Feld.
Als Preußens Kriegserklärung erschien, rief er aus: „wenn auch die
Feinde auf dem Montmartre vor Paris ständen, so würde er doch kein
Dorf von seinen Eroberungen herausgeben." Da erhoben denn die
Deutschen das Racheschwert, um eine langjährige Schmach zu tilgen und
der Welt zu zeigen, daß Hermann's Söhne, find sie vereint, kein frem¬
des Joch tragen wollen und die furchtbarste Gewalt zu zertrümmern
vermögen. Da wurden die Schlachten geschlagen: bei Lützen am 2.
Mai, bei Bautzen am 20. und 21. Mai, bei Großbeeren am 23. Au¬
gust, an der Katzbach am 26. August, bei Dresden am 26. und 27.
August, bei Kulm am 29. und 30. August, bei Dennewitz am 6. Sep¬
tember, bei Nollendorf am 17. September u. a. m. Bis hieher bewies
das Glück beiden Parteien fast gleiche Gunst. Die Schlachten bei
Großbeeren, an der Katzbach, bei Dennewitz und Nollendorf waren
siegreich für die Deutschen, die übrigen für die Franzosen.
5. Da nahten die Tage der großen Völkerschlacht heran. Napoleons
Heer, 180,000 Mann, wurde immer mehr um Leipzig herum zusammen¬
gedrängt. Der Fürst Schwarzenberg, OberfeldherrderverbündetenHeere,
zusammen 250,000 Mann stark, redete also zu ihnen: „Der wichtige
Augenblick des heiligen Kampfes ist erschienen, wackere
Krieger! Die entscheidende Stunde schlägt; bereitet euch
zum Streite! Das Band, das mächtige Nationen zu Ei¬
nem Zwecke vereinigt, wird aus dem Schlachtfelde enger
und fester geknüpft. Russen! Preußen! Oesterreicher! ihr
kämpfet für Eine Sache, kämpfet für die Freiheit Eu¬
ropa s, für die Unabhängigkeit eurer Stgaten, für die
Unsterblichkeit eurer Namen - Alle für Einen, Jeder
für Alle! Mit diesem erhabenen, männlichen Rufe eröff¬
net den heiligen Kampf! Bleibt ihm treu in der entschei¬