zusammen. Der Vater aber reichte ihm seinen Arm, daß er sich
daran halten möchte, und so gelangten sie glücklich bis zu dem
Gipfel des Berges. Hier lagerten sie sich in den Schatten der
Bäume, wischten den Schweiß von der Stirn, ruhten aus und
sahen mit Herzenslust hinab auf den langen, steilen Weg, den sie
zurückgelegt hatten. Die Luft, welche sie umwehte, war rein und
mild, und sie athmeten so leicht, als wären sie neu geboren. Nicht
fern vernahmen sie das Murmeln einer Quelle, und in dem Grase
und Gesträuche erblickten sie mancherlei schöne Blumen und Bee¬
ren, welche der Knabe noch niemals gesehen hatte. Siegmund ging
hin, trank aus der Quelle und pflückte Blumen und Beeren. Die
eine Hälfte der Blumen flocht er zu einem schönen Kranze, um
ihn der lieben Mutter zu bringen; die andere Hälfte aber, welche
er in einen Strauß gebunden hatte, brachte er dem Vater und
sprach: O, mein Vater, wie wohl ist es mir nun wieder in mei¬
nem Herzen, und wie hat der kühlende Trank meine Seele er¬
quickt! Koste nun einmal von diesen Beeren, wie süß sie schmecken,
und nimm diese Blumen, wie lieblich sie duften! Ein solcher kräf¬
tiger Wohlgeruch ist in unserm ganzen Thale nicht zu finden. Nun
ist uns die überstandene Mühe wohl tausendfältig belohnt.
Ja, freilich, mein Sohn, erwiederte darauf der fromme Vater:
Du hast nun durch eigene Erfahrung ein Bild des Tugendweges
gefunden. Auch der Pfad der Tugend ist steil und mühsam zu
wandeln; denn schmal ist der Weg und eng die Pforte, welche da
führen zum Leben. Und das Reich Gottes leidet Gewalt, und nur
die Gewaltigen vermögen einzudringen in das Heiligthum, welches
da ist die göttliche Tugend. Wer aber Gewalt brauchet, erreichte
das Ziel, und findet an dem Ziele Ruhe, Freude und denjenigen
süßen Frieden der Seele, welcher sich nur fühlen, aber nicht aus¬
sprechen läßt, und in dem Himmel haben die heiligen Engel für
ihn eine unverwclkliche Krone geflochten.
So redete der Vater. Der Sohn aber sprach mit bewegtem
Gemüthe: Ach, mein Vater! möchte eine solche Krone auch für
mich geflochten werden! O, ich will gewiß den Pfad der Tugend
wandeln, und um darauf zu beharren, so viel Gewalt brauchen,
als nur immer in meinen Kräften ist. — Und darauf entgegnete
der Vater: Wenn wir, liebes Kind! nur redlich thun, was wir
können, so wird der gute Gott gnädig hinzuthun, was wir nicht
vermögen. Denn gleichwie ich dir, da du matt und schwach wer¬
den wolltest, meinen Arm reichte, um dir bergan zu helfen, so auch
ist die Hand Gottes unsichtbar mit einem jeden, der da wandelt
auf dem Pfade der Tugend, und es werden dem Ohnmächtigen