196
schließt, so kommt er endlich auf eine letzte und erste Ursach
aller Dinge. Diese liegt aber nicht mehr in dem Gebiete
des Sichtbaren; Gott, der die Welt gemacht hat und Alles,
was darin ist, wohnet in einem Licht, da Niemand zu kom¬
men kann, welchen kein Mensch gesehen hat, noch sehen
kann. Um ihn und alle übersinnlichen Dinge, so weit es
uns schwachen Menschen möglich ist, zu erkennen, ist uns
die Vernunft gegeben, die edelste unter allen Gaben Got¬
tes. Wir müssen sie aber recht gebrauchen. Gleich allen
unseren Seelenkräften, ist auch die Vernunft durch die Sünde
geschwächt. Darum haben die Heiden nimmer Gott recht zu
erkennen vermocht, und sind in Abgötterei verfallen. Des¬
halb hat sich Gott über den Menschen erbarmt und hat in
seinem Worte sich ihm selbst geoffenbart. Da soll unsere
Vernunft nun nicht klüger sein wollen, als Gottes Wort,
sondern, wie sie den Namen hat von Vernehmen, soll sie
demüthig vernehmen, was ihr das Wort Gottes sagt, und
an demselben sich bilden, damit sie im Glauben Gott immer
besser erkennen lerne.
Diese Erkenntnisse, welche mir meine Vernunft und mein
Verstand zuführen, die Vorstellungen und Eindrücke, welche
ich von außen empfange, lassen mich nicht gleichgiltig; sie
versetzen mich entweder in einen angenehmen, oder unange¬
nehmen Gcmüthszustand; und es ist bas Gefühlsver¬
mögen, durch welches ich Lust und Unlust fühlen kann.
Mein Gcfühlövermögen ist ein niederes, sofern ich sinn¬
liche Gefühle, und ein höheres, sofern ich geistige Ge¬
fühle haben kaum Sinnliche Gefühle werden durch Ein¬
drücke auf meine Sinne, geistige durch Eindrücke auf die hö¬
heren Kräfte meines Geistes hervorgebracht. Zu jenen gehört
z. B. Hunger, Durst; zu diesen die Gefühle für das Wahre,
Schöne und Gute, welche sich alle vereinigen in dem from¬
men oder dem Gottesgefühl, denn Gott ist die höchste Wahr¬
heit, Schönheit und Güte. Darum sagt die Schrift auch:
„Habe deine Lust an dem Herrn;" und Assaph fühlt sich
so selig in Gott, daß er spricht: „Wenn ich nur Dich habe,
so frage ich Nichts nach Himmel und Erde."
Waö mir angenehme Gefühle erweckt, begehre ich, mir
nahe zu bringen; was mir unangenehme Gefühle erweckt,
begehre ich von mir entfernt zu halten. Ich habe außer dem
Gefühlövcrmögen auch ein Begeh rungsvermögen und
zwar ein niederes, sofern ich mich durch meine sinnli¬
chen Gefühle bestimmen lasse, waö ihnen angenehm, oder